Es ist nicht leicht, die Folgen bestimmter Handlungen im Voraus abzusehen. Einfache Schlussfolgerungen sind fast immer unzureichend und sicher nicht geeignet, ein Geschehen wie die weltweite Entwicklung der Photovoltaik in den letzten Jahren angemessen zu erklären.
Bedenklich ist jedoch, dass derartige Erklärungsmodelle immer beliebter zu werden scheinen. Besonders eine monokausale Ursache-Wirkungs-Relation wird immer wieder genannt. Demnach sei in der angeblichen Dumpingpolitik der chinesischen Regierung die Ursache des Niedergangs der Photovoltaik in der westlichen Welt und insbesondere auch in Deutschland zu sehen.
Mit dieser Argumentation wurden zuletzt auch Strafaktionen in Form von Zöllen auf chinesische Importe in den USA und Europa begründet und durchgesetzt, obwohl die Solarbranche selbst zum großen Teil diese Masßnahmen nicht unterstützt hat. Es kann jedoch nicht deutlich genug vor den sicher nicht wünschenswerten Folgen einer derartigen Politik gewarnt werden.
Zunächst verhindert eine vorschnell präsentierte vermeintliche Erklärung, dass die tatsächlichen Sachverhalte wirklich ausreichend untersucht werden. Wenn die Lage klar zu sein scheint und auch schon Schlussfolgerungen wie die Erhebung von Strafzöllen beschlossen wurden, wieso sollten die Sachverhalte danach noch einmal untersucht werden?
Das wäre tatsächlich unlogisch und deshalb besteht nunmehr die Gefahr, dass eingehende Untersuchungen längerfristig unterbleiben. Das wäre jedoch andererseits angesichts der Bedeutung der Energiewende unangemessen und unverantwortlich.
Sicher kann in einem Rechtsstaat gesagt werden, dass in der chinesischen Politik die Ursache des Niedergangs der deutschen Photovoltaikindustrie zu sehen ist. Das versteht sich in einem Rechtsstaat von selbst, selbst wenn eine derartige Äußerung ein Spiel mit dem Feuer sein könnte.
Wenn jedoch eine Demokratie gleichzeitig sachverständige Analysen aktiv unterbindet und sogar die Aussage untersagen lässt, dass ein bestimmter Solarmodulhersteller weder kurz- noch langfristig Chancen habe, die Gewinnzone zu erreichen, dann ist die Gefahr eines lichterlohen Buschbrandes wohl unmittelbar ersichtlich.
Allein dass dieses Szenario in Deutschland Realität geworden ist und eine entsprechende Aussage eines Sachverständigen tatsächlich dauerhaft höchstrichterlich unterbunden wurde, muss alle Alarmglocken schrillen lassen.
Dieser Vergleich einer derzeit in Deutschland erlaubten und vielfach geäußerten Aussage mit einer derzeit gerichtlich untersagten Stellungnahme eines Experten macht die Brisanz der Situation ersichtlich und veranschaulicht, wie verantwortungslos und gemeingefährlich die Vorgehensweise der Deutschen Bank und ihrer Mitstreiter ist.
Glücklicherweise sind nach wie vor auch Stimmen zu vernehmen, die sich gegen einfache sogenannte Erklärungen und gegen Strafzölle wenden. Beispielsweise spricht der WDR-Wirtschaftsredakteur Jürgen Döschner in seinem Beitrag "Gefährlich und wirkungslos" alle wesentlichen Sachverhalte an, die hier zu beachten sind und warnt vor einem möglichen "regelrechten Handelskrieg".
Genau diese Überlegungen sollte eine weitsichtige Politik auf der Basis zuverlässiger Zahlen zunächst anstellen, statt übereifrig Maßnahmen mit möglicherweise fatalen Folgen zu beschließen. Doch derzeit hat man eher den Eindruck, dass auch der Politik das übersimplifizierte monokausale Erklärungsmodell gerade gelegen kommt, um von eigener Verantwortung abzulenken.
Nachdenklich könnten auch die Vorhersagen der Finanzwirtschaft aus der Zeit um 2008 stimmen. Photovoltaik ist eine einfache Technik mit nur einem Zweck, nämlich möglichst viel Strom zu erzeugen. Entsprechend leicht war die Marktentwicklung abzusehen. Den Vorteil hat die Finanzwirtschaft natürlich im eigenen Sinne genutzt. Es wäre ja auch naiv, etwas anderes zu vermuten. Folglich wurde wie in ähnlichen Fällen wieder einmal eine Blase aufgepumpt. Als diese zu platzen drohte, verließen die Finanzmagier 2008 das Spielcasino, freilich nicht ohne die Gewinne mitzunehmen und die Türen von außen zu verschließen.
Die Deutsche Bank hat sogar ausführlich dargelegt, was darauf tatsächlich eingetreten ist. Es kam zu einer "brutalen Marktbereinigung", da sich der Verkäufermarkt nur scheinbar urplötzlich durch überschießende Kapazitäten in einen Käufermarkt verwandelt hatte. Das war ein wichtiger Grund dafür, dass viele Firmen in Schwierigkeiten geraten sind. Es ist nicht bekannt, dass die Deutsche Bank oder ein anderes Finanzinstitut damals mit dem Finger nach China gezeigt hatte.
Es ist das eine, wenn in Internetforen immer wieder die chinesische Politik als angeblich einzige Ursache für das Desaster der westlichen und deutschen Photovoltaikindustrie genannt wird. Das ist schlimm genug, erst recht, wenn derartige Äußerungen mit dem Unterton fremdenfeindlicher Forumlierungen daher kommen.
Geradezu unterträglich wird dieser Vortrag jedoch, wenn er von dem Leiter eines deutschen Solarunternehmens vorgebracht wird, das seine Existenz der öffentlichen Hand zu verdanken hatte und als Gegenleistung dafür innerhalb von elf Jahren nicht einmal ein taugliches geschweige denn konkurrenzfähiges Produkt hervorgebracht hat. Transportiert wurde eine derartige Aussage von dem staatlichen Werbemagazin "Adlershof Journal", das man ob solcher Aussagen beinahe als Propagandablatt bezeichnen möchte.
In der Ausgabe März / April 2012 äußerte sich der Leiter Soltectures Meyer wie folgt:
Die Lage ist Produkt der Förderpolitik - in China. Dort haben Modulhersteller Zugang zu staatlichen Milliardenkrediten. "Nicht geringe Arbeitskosten, nicht bessere Technik, sondern der Zugang zu zinsgünstigem Kapital und so erkaufte Skaleneffekte erlauben es chinesischen Herstellern den Weltmarkt mit günstigen Modulen zu überschwemmen", erklärt Meyer.
Zu dem Zeitpunkt war Soltecture schon von seinem Gründungsgesellschafter und vorgeblich "exklusivem Forschungspartner", dem Helmholtz-Zentrum Berlin, fallen gelassen worden. Im Mai 2012 folgte die Insolvenz.
Es soll nicht der Teufel an die Wand gemalt werden, aber es ist wohl ersichtlich, dass in einer komplexen Welt scheinbar gewöhnliche Entwicklungen unerwartete Wendungen nehmen und schließlich kritisch verlaufen können, wenn Realitätsverlust und unterschwellige Fremdenfeindlichkeit sich zu einer brisanten Mischung vermengen.
Doch vorerst bleibt es dabei. Der Satz
China sei schuld am Niedergang der deutschen Solarindustrie
darf in Deutschland gesagt werden. Hingegen bleibt die Aussage, dass
ein bestimmter Solarmodulhersteller weder kurz- noch langfristig Chancen habe, die Gewinnzone zu erreichen
nach wie vor höchstrichterlich untersagt bleibt, obwohl diese Untersagung das Grundgesetz bricht, und obwohl sich diese Prognose durch die Insolvenz der Firma längst bewahrheitet hat.
Vorerst bleibt nur zu hoffen, dass zumindest sachliche Abwägungen, seriöser Journalismus und rechtsstaatlich einwandfreies Verhalten, im Interesse der Energiewende und zum Vorteil der Allgemeinheit, die Oberhand behalten werden. .
Letzte Änderung: 8.6.2013