Wer sich öffentlich oder anderen gegenüber äußert, der hat natürlich bestimmte Grenzen zu beachten. Wer mit gesundem Menschenverstand vorgeht und sich vor beleidigenden und ehrverletzenden Äußerungen hütet, der hat schon viel richtig gemacht. Dies vorausgesetzt, unterscheiden Juristen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen.
Die Faustregel lautet, dass Tatsachenbehauptungen recht leicht als eindeutig wahr oder falsch bewertet werden können. Die Aussage, dass ein bestimmter Autofahrer eine Ampel bei Rot überfahren hat oder nicht, ist ggf. klar beweisbar, etwa durch Zeugenaussagen oder das Foto einer automatischen Kamera, die den Rotlichtverstoß dokumentiert hat. Es versteht sich von selbst, dass unwahre Tatsachenbehauptungen nicht wissentlich verbreitet werden dürfen. Das wäre ein Fall übler Nachrede, nämlich eine Verleumdung.
Die Bewertung von Meinungsäußerungen ist dagegen nicht so leicht möglich, deshalb ist auch von "persönlicher Meinung" oder "Meinungsvielfalt" die Rede. Die Äußerung von Meinungen ist grundsätzlich durch Art. 5 GG gedeckt, sofern Persönlichkeitsrechte wie etwa die Grenze zur Beleidigung beachtet wird.
So wie Personen haben auch Unternehmen das Recht, in ihrer Geschäftstätigkeit nicht willkürlich durch bestimmte Aussagen beeinträchtigt oder geschädigt zu werden. Entsprechend sind wiederum Tatsachenbehauptungen und Meinungen zu unterscheiden. Die Behauptung unwahrer Tatsachen kann gerichtlich untersagt werden. In dem Fall wäre derjenige in der Nachweispflicht, der die fragliche Aussage getätigt hat.
Besteht in der Sache jedoch ein öffentliches Interesse und steht die fragliche Äußerung in einem größeren Zusammenhang, so ist bei der Beurteilung anders vorzugehen. In dem Fall sind die Rechte der Firma gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 GG abzuwägen. In der Regel überwiegt das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Unternehmen hat also ggf. auch nicht richtige Aussagen hinzunehmen. Juristisch wird in diesem Fall die gesamte Äußerung als Meinungsäußerung betrachtet.
Die Vorgehensweise in derartigen Fällen ist in diesen Leitsätzen zusammen gefasst. Praktisch bedeutet dies, dass in derartigen Fällen weitgehende Äußerungsfreiheit und keine Nachweispflicht hinsichtlich einzelner Aussagen besteht. Zitat aus Leitsatz 1:
Aus einer komplexen Äußerung dürfen nicht Sätze und Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptungen untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird.
Die Vorgehensweise wird auch in diesem Rechtstipp beschrieben.
Selbstverständlich müssen Grundrechte auch für Arbeitnehmer gelten, die ihre eigene Firma kritisch beurteilen. Entsprechend entfällt die Nachweispflicht für kritische Äußerungen auch dann, wenn ein öffentliches Interesse an dem Verhalten der Firma besteht. Dies ist beispielsweise bei einer Pflegeeinrichtung der Fall, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befindet. Leider müssen Grundrechte manchmal erst mühsam erstritten werden. Umso wichtiger ist es, dass der als Vivantes gegen Heinisch bekannt gewordene Fall in dem Buch Altenpflegerin schlägt Alarm anschaulich dokumentiert ist.
Entsprechende Beispiele finden sich regelmäßig im Internet und in den Medien.
Aktuell wird über Schadenersatzforderungen gegen Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche berichtet. In einem Artikel von Spiegel Online vom 2.2.2014 wird den Automanagern vorgeworfen, Aktionäre getäuscht zu haben:
Die beiden sollen bei der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW Aktionäre getäuscht haben. (Spiegel Online, Hedgefonds verklagt Piëch und Porsche auf Schadenersatz in Milliardenhöhe, 2.2.2014)
Außerdem wird berichtet, dass die Beschuldigten Methoden aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität verwendet hätten.
Damit wird natürlich gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass Piëch und Porsche sich rechtswidrig verhalten hätten. Obwohl sich die Anschuldigungen sogar gegen Piëch und Porsche persönlich richten, kann die Berichterstattung nicht beanstandet werden, da in dem Fall ein großes öffentliches Interesse besteht, das die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen überwiegt. (2.2.2014)
Der Rechtsstaat hat ein Interesse daran, dass relevante Informationen den zuständigen Behörden mitgeteilt werden. Entsprechend sind sachliche Hinweise an Behörden, die nicht bewusst unrichtig oder leichtfertig aufgestellt wurden, besonders geschützt. Derartige Äußerungen werden auch als "privilegierte Äußerungen" bezeichnet.
Im Fall von privilegierten Äußerungen kann dem Informanten hinsichtlich des Wahrheitsgehalts keine Nachweispflicht auferlegt werden. Es bleibt allein der Behörde überlassen, die Informationen zu überprüfen. Privilegierte Äußerungen können auch nicht untersagt oder beispielsweise als Verstoß gegen eine uneingeschränkte Unterlassungsverpflichtung gewertet werden.
Bestimmte Mitteilungen an Behörden oder Parlamente sind außerdem durch das im Grundgesetz verankerte Petitionsrecht geschützt (Art. 17 GG). Demnach sind Gesuche und Eingaben, die schriftlich und nicht anonym abgefasst sind, weitreichend geschützt. Der Verfasser hat einen Anspruch darauf, dass derartige Informationen entgegen genommen und beantwortet werden. Weiter wird durch das Petitionsrecht garantiert, dass dem Absender durch die Einreichung der Petition keine Nachteile entstehen dürfen.
Der Deutsche Bundestag hat einen gesonderten Petitionsausschuss, der sich mit der Bearbeitung von Petitionen befasst. Weniger bekannt ist, dass entsprechende Mitteilungen an jegliche andere Behörde ebenfalls als Petitionen zu betrachten sind. Weitere Erläuterungen zum Petitionsrecht sind hier abrufbar.
19.5.2013 / Letzte Änderung: 2.2.2014