Berlin Adlershof

In Berlin Adlershof befindet sich das angeblich modernste Gründer- und Technologiezentrum Deutschlands. Der Stadtteil soll gleichzeitig der wichtigste Wissenschafts-, Wirtschafts- und Medienstandort der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg sein. In jedem Fall ist leicht nachvollziehbar, dass Adlershof maximal von Fördermitteln des Bundes, des Landes Berlin und der EU profitiert hat.

 

Dennoch scheinen selbst die meisten Berliner zumindest den technologielastigen Teil Adlershofs westlich der S-Bahn Linie zum künftigen Flughafen BER nicht zu kennen, was durchaus an der kalten und technokratisch wirkenden Gestaltung liegen kann. Besonders an Wochenenden wirkt der "Wachstumskern" Berlins wie ausgestorben.

 

Hinzu kommt, dass insbesondere die Solarwirtschaft, die ein Schwerpunkt sein und Berlin zur "Solarhauptstadt" machen sollte, in der Hauptstadt ein bitteres Debakel erlebt hat. Wohl nirgendwo sonst in Berlin und Umgebung sind die Spuren des Niedergangs innerhalb kürzester Zeit derart anschaulich zu besichtigen wie in Adlershof.

 

Nachfolgend werden die Standorte dieses solaren Niedergangs in Adlershof, die teilweise noch auf ihre Vollendung warten oder im Planungsstadium stecken geblieben sind, vorgestellt. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass diese katastrophale Entwicklung einer gescheiterten lokalen Wirtschaftspolitik untersucht werden muss.

 

Inzwischen ist ersichtlich, dass auch auf der von der Wista Management GmbH betriebenen Internetseite wahrscheinlich ziegerichtet wichtige Unterlagen entfernt worden sind.

Soltecture

Die Soltecture GmbH wurde 2001 als Sulfurcell GmbH gegründet und zählt als ehemaliger Hersteller von CIS-Solarmodulen zu den Schwerpunkten der Untersuchung. Im Mai 2012 musste die Firma Insolvenz anmelden.

Soltecture Pilotfertigung

Der erste Standort Soltectures befand sich in der Barbara McClintock-Straße 11. Die Pilotfertigung zur Entwicklung einer schwefelbasierten CIS-Technologie wurde von 2003 bis 2005 errichtet. 2010 zog die Firma in ein neues Gebäude am Groß-Berliner Damm um. Was in der Fabrikhalle in der Barbara McClintock-Straße seitdem geschehen ist, ist nicht genau bekannt.

 

Es scheint möglich, dass PVcomB hier zwei sogenannte industrienahe Fertigungslinien zur Entwicklung von Dünnschichttechnologien eingerichtet und betrieben hat.

Soltecture Pilotfertigung, 15.6.2013 (noch mit ursprünglicher Firmenbezeichnung "Sulfurcell")
Soltecture Pilotfertigung, 15.6.2013 (noch mit ursprünglicher Firmenbezeichnung "Sulfurcell")
Soltecture Pilotfertigung, Tor zur Fertigungshalle, 15.6.2013
Soltecture Pilotfertigung, Tor zur Fertigungshalle, 15.6.2013

Solarwand des Ferdinand-Braun-Instituts

Für repräsentative Zwecke errichtete Soltecture 2007 eine Solarwand auf dem Gelände des Ferdinand-Braun-Instituts. Das Projekt ist beispielsweise hier auf Seite 13 beschrieben.

 

Die Module hatten rechnerisch eine mittlere Leistung von 53 Watt. Die Gesamtkosten lagen bei stolzen 250.000 Euro. Über den Betrieb oder Stromerträge wurde nie berichtet. Inzwischen dürfte die Anlage nicht mehr in Betrieb sein, da alle Module der Firma unter einem herstellungsbedingten schnellen Leistungsverlust litten.

Solarwand des Ferdinand-Braun-Instituts mit Modulen der Firma Soltecture, 15.6.2013
Solarwand des Ferdinand-Braun-Instituts mit Modulen der Firma Soltecture, 15.6.2013

Soltecture Serienfertigung

Soltecture errichtete 2009 ein Verwaltungsgebäude und eine Fabrikhalle für eine Serienfertigung. Der Standort am Groß-Berliner Damm wurde 2010 bezogen. Die etwa zwei Fußballfelder große Fabrik wurde verspätet und kaum ansatzweise in Betrieb genommen, hauptsächlich da die Solarmodule untauglich waren und nicht vermarktet werden konnten.

 

Das Verwaltungsgebäude sollte vor allem repräsentativen Zwecken dienen. Die Firma wollte sich als Spezialist für gebäudeintegrierte Photovoltaik profilieren, obwohl die kleinen, schweren und leistungsschwachen Module für diesen Zweck gerade nicht geeignet waren.

 

Mehrere der kaum vier Jahre alten Module sind auf der ganzen Fläche gesprungen. Das unten rechts gezeigte Schadensbild eines Moduls des Verwaltungsgebäudes scheint bei den vorder- und rückseitig aus Glas bestehenden Dünnschichtmodulen ohne Rahmen relativ häufig zu sein.

Soltecture Neubau, Fabrikhalle, 16.6.2013
Soltecture Neubau, Fabrikhalle, 16.6.2013
Soltecture Neubau, Glasbruch eines Moduls der Fassade des Verwaltungsgebäudes, 16.6.2013
Soltecture Neubau, Glasbruch eines Moduls der Fassade des Verwaltungsgebäudes, 16.6.2013

FUSS-EMV

2006 hat sich in direkter Nachbarschaft zur Soltecture Pilotfertigung die Firma FUSS-EMV angesiedelt.

 

Es war sicher kein Zufall, dass der neue Sitz mit ersten Modulen des Firmennachbarn ausgestattet worden ist.

 

Ein Erweiterungsbau, der 2010 angeblich dringend benötigt worden ist, wird jedoch noch immer nicht genutzt. Offensichtlich hat FUSS-EMV sich bei weitem nicht so gut entwickelt wie erhofft. Auffälligstes Merkmal des Neubaus ist die Ausstattung des mit einer CIS-Solaranlage des Herstellers AVANCIS.

Kompetenzzentrum Dünnschicht- und Nanotechnologie für Photovoltaik Berlin (PVcomB)

Das PVcomB ist 2007 auf Initiative des Hahn-Meitner Instituts Berlin (HMI, später HZB) gegründet worden. Die Arbeitsgruppe sollte sich weitgehend selbst über Aufträge für die Solarindustrie finanzieren.

 

2008 wurden Büros in der Schwarzschildstraße 3, in direkter nähe zur Soltecture Pilotfabrik in der Barbara McClintock Straße, bezogen. Es ist unklar, ob Teile des PVcomB noch in anderen Gebäuden untergebracht sind. Nach vorliegenden Unterlagen war 2008 geplant, dass PVcomB ab 2010 etwa 4000 m² Nutzfläche im neu zu errichtenden Zentrum für Photovoltaik (ZPV) zur Verfügung stehen sollten. Derzeit, im Juni 2013, ist das ZPV jedoch erst im Rohbau fertig gestellt. Dazu wird weiter unten berichtet.

PVcomB, 15.6.2013
PVcomB, 15.6.2013

"Am Oktogon"

Das Areal "Am Oktogon" rund um eine 50 Jahre alte Sheddachhalle sollte schon seit einiger Zeit mit 13 Neubauten, davon sieben Bürohäuser und sechs Mehrzweckhallen, bestückt sein. Im September 2013 war jedoch erst das Gebäude "B1" errichtet. Für zwei Geschosse wurden noch Mieter gesucht. Die oberen Etagen wurden vom Generalunternehmer des Projekts, der Firma Vollack, bezogen. Abgesehen davon hatte im September 2013 erst ein weiterer Mieter Räume in dem Gebäude bezogen.

 

Es ist offensichtlich, dass kein Bedarf für die Neubauten bestand. Es stellt sich die Frage, warum die Bebauung des Areals überhaupt in Angriff genommen wurde. Hauptziel im Jahr 2010 war offensichtlich, der Firma Soltecture das Dach der Sheddachhalle als Fläche für ihre unverkäuflichen Solarmodule zur Verfügung zu stellen.

"Am Oktogon", Sheddachhalle mit Solaranlage, 29.5.2013
"Am Oktogon", Sheddachhalle mit Solaranlage, 29.5.2013
"Am Oktogon", Gebäude B1, 15.6.2013
"Am Oktogon", Gebäude B1, 15.6.2013

Zentrum für Photovoltaik (ZPV)

Das ZPV ist ein weiteres überflüssiges Projekt, das massiv mit EU-, Bundes- und Landesmitteln kofinanziert wurde, und noch auf die Fertigstellung wartet, obwohl die Einrichtung ursprünglich schon 2010 bezugsfertig sein sollte.

 

Als Hauptmieter war die Arbeitsgruppe PVcomB des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) vorgesehen. Davon ist inzwischen jedoch keine Rede mehr. Inzwischen ist der Bau zwar weitgehend fertig gestellt, aber es scheint keinerlei Bedarf und keine Mieter zu geben.

 

Die untenstehenden Fotos zeigen den Bauzustand im Mai 2013.

ZPV, Außenansicht, 29.5.2013
ZPV, Außenansicht, 29.5.2013
ZPV, Innenansicht, 29.5.2013
ZPV, Innenansicht, 29.5.2013

Solon

Kaum ein anderer Solarmodulhersteller steht derart beispielhaft für den rasanten Aufstieg und Fall der Solarindustrie in Deutschland wie die 1996 gegründete Solon SE. Schon 1998 wagte das Unternehmen einen Börsengang. Bis 2007 schoss der Kurs kurzfristig auf über 80 Euro, um dann zu einer ebenso rasanten Talfahrt anzusetzen. Im Dezember 2011 musste Solon Insolvenz anmelden.

 

Die spezielle Architektur des erst im Juni 2009 errichteten Neubaus zeigt vor allem, dass die Firma zeitweilig über sprudelnde Einnahmequellen verfügte, leider jedoch nicht mit dem Geld angemessen zu wirtschaften wusste. Inzwischen werden für die "Büros mit Auslauf" offenbar händeringend Nachmieter gesucht.

Solon, Außenansicht, 16.6.2013
Solon, Außenansicht, 16.6.2013
Solon, "Büros mit Auslauf ab 1000 Quadratmeter", 16.6.2013
Solon, "Büros mit Auslauf ab 1000 Quadratmeter", 16.6.2013

Solon, "Gedankengang", 16.6.2013
Solon, "Gedankengang", 16.6.2013

19.6.2013 / Letzte Änderung: 2.1.2014

Freiheit stirbt immer zentimeterweise:

Typologie der PV-Module:

Typologie der Herstellungsverfahren für Solarmodule

Eine herzliche Bitte:

Fundamentaler Fehler:

Für Hinweisgeber:

Warnungen für Hinweisgeber