Investitionsbank Berlin (IBB)

Die Investitionsbank Berlin (IBB) nennt sich "das Förderinstitut des Landes". Als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts sollte die IBB im Dienste der Allgemeinheit tätig sein. Entsprechend wird die Tätigkeit der Bank von der Senatsverwaltung beaufsichtigt.

 

Dem Verwaltungsrat steht derzeit mit Cornelia Yzer die Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung vor, die in dieser Position ihren Amtsvorgängern Harald Wolf und Sybille von Obernitz nachgefolgt ist.

Ulrich Kissing

Von September 2009 bis März 2014 leitete Ulrich Kissing als Vorsitzender des Vorstands die IBB. Dem Lebenslauf kann entnommen werden, dass Kissing von 1986 bis 2008 für die Deutsche Bank tätig war, zuletzt als Mitglied des Vorstands von 2003 bis 2008.

 

Am 21.3.2014 meldete die Berliner Morgenpost mit dem Artikel Keine Sozialabgaben - Berliner Chef-Banker gefeuert, dass der Verwaltungsrat Kissing als IBB-Chef abgesetzt hat, weil dieser angeblich Sozialabgaben nicht abgeführt hatte. Dabei war Kissings Vertrag erst im Januar 2014 bis 2017 verlängert worden.

Unterstützung der Soltecture GmbH

Nach mehrfacher Aussage der Geschäftsführer wäre die Soltecture GmbH (ehemals Sulfurcell GmbH) ohne die massive Unterstützung der öffentlichen Hand nicht gegründet worden. Wesentlich dazu beigetragen hat auch das Land Berlin insbesondere mit Maßnahmen, die über die IBB initiiert und abgewickelt worden sind.

 

An der ersten Finanzierungsrunde in Höhe von 15,6 Millionen Euro beteiligten sich das Land Berlin bzw. die IBB mit einem Anteil von fast 50 Prozent. Zusammenfassend erläuterte die Zeitschrift Photon in der Ausgabe Juli 2003:

 

Mit 7,24 Millionen Euro ist daran auch der Berliner Senat beteiligt, und zwar nicht etwa aus dem Wirtschaftsetat, sondern im Rahmen seines Umweltentlastungsprogramms, das wiederum zu 75 Prozent aus dem europäischen Strukturfonds für regionale Entwicklung gespeist wird. Außerdem ist das Land über die IBB Beteiligungsgesellschaft mbH, einen Ableger der Investitionsbank Berlin sowie eine stille Beteiligung des Innovationsfonds des Landes Berlin involviert. Ein anderer stiller Teilhaber ist der Berliner Energie Umwelt Fonds (BEU), eine ebenfalls mit Senatsbeteiligung erfolgte Gemeinschaftsgründung des Energieversorgers Bewag und der Gaz de France. (Jochen Siemer, Sulfurcell startet, PHOTON Juli 2003)

Adlershof Aktuell, 4 / 2006, S. 16

In der Folge wurde Soltecture vom Land Berlin und von der IBB bis zur Insolvenz im Mai 2012 weiter intensiv gefördert und auch vielfach als Werbeträger und angebliche Erfolgsgeschichte präsentiert.

 

Nebenstehende Anzeige stammt aus der Broschüre Adlershof Aktuell 4 / 2006. Sulfurcell und deren Leiter Nikolaus Meyer, damals Berufsanfänger, wurden von der IBB in ein denkbar günstiges Licht gerückt. Unter anderem mit diesen Worten wurde die Firma als angebliches Erfolgsbeispiel der Förderpolitik der IBB präsentiert:

 

Dabei zeigt sich Sulfurcell als modernes und innovatives Unternehmen, das es für uns zu unterstützen gilt. (Adlershof Aktuell, 4 / 2005, S. 16)

 

Entsprechend erhielt Sulfurcell zu der Zeit auch Mittel im Rahmen des Förderprogrammes ProFIT.

 

2006 profitierte Sulfurcell auch von der EU-Beihilfe XS 172/06 in Höhe von insgesamt 21,6 Millionen Euro, die von der IBB bewilligt worden war. Auffällig ist, dass über diese erhebliche Beihilfe praktisch nirgendwo berichtet wurde.

Die IBB als Marketingagentur Soltectures

Es liegen weitere Unterlagen vor die belegen, dass die IBB insbesondere die Soltecture GmbH immer wieder herausgestellt und öffentlich beworben hat. Fast könnte man sagen, dass die IBB in der Rolle einer Marketingagentur für den Solarmodulhersteller tätig war.

 

Es drängt sich die Frage auf, ob die IBB damit nicht Grenzen überschritten hat, die sie nicht hätte verletzen dürfen. Durch die übermäßige Identifikation mit der Soltecture GmbH hat die IBB offensichtlich den notwendigen Abstand verloren, die Firma und deren Entwicklung richtig einzuschätzen. Vor allem wird dies daran erkennbar, dass die IBB die Entwicklung Soltectures keineswegs objektiv und sachgerecht dargestellt, sondern regelrecht schön geredet hat.

 

Nachdenklich stimmt auch die Tatsache, dass einige diesbezüglich relevante Unterlagen der IBB inzwischen aus dem Internet entfernt wurden. Möglicherweise ist das Internet zielgerichtet gesäubert worden.

April 2005: VC-Fonds

Der VC Fonds Berlin, 26.4.2005

Im April 2005 erläuterte die IBB die Aufgaben und die Struktur ihres Venture Capital Fonds. Laut IBB sollte mit dem Fonds die Eigenkapitalbasis innovativer Berliner Technologieunternehmen "gestärkt" werden. Es wird nicht erwähnt, dass der Fonds die Gründung "innovativer" Unternehmen wie im Fall Sulfurcell überhaupt erst ermöglichen oder diese vor dem finanziellen Kollaps bewahren sollte. Dennoch wird in diesem Dokument auf die Firma Sulfurcell als Referenzinvestment verwiesen.

 

Das Dokument zählt zu den Unterlagen, die inzwischen nicht mehr im Internet abrufbar sind.

Juli 2008: Desinformation der Öffentlichkeit

In einer Pressemitteilung vom 10.7.2008 rückte die IBB die Sulfurcell GmbH einmal mehr in das denkbar beste Licht. Unter anderem wurden diese Aussagen verbreitet:

 

Die Sulfurcell Solartechnik GmbH ist eines der weltweit führenden Unternehmen in der Entwicklung und Fertigung von Dünnschicht-Solarmodulen vom Typ CIS/CIGSe (Kupfer-Indium-Sulfid/Selenid) zur photovoltaischen Energiegewinnung.

 

Die Vorteile der Technologie und der erfolgreiche Betrieb der Berliner Pilotproduktion während der letzten drei Jahre überzeugten auch die Private Equity Investoren der jetzt abgeschlossenen Wachstumsfinanzierung.

 

Dr. Nikolaus Meyer, Geschäftsführer und CEO der Sulfurcell: „[...] In den letzten drei Jahren konnte die Produktion unserer Module in jeder Hinsicht optimiert werden und hat trotz ihres Pilotcharakters industriellen Standard erreicht. Die Energieeffizienz der Module, aber auch die Produktionsmengen und Fertigungsausbeuten, liegen heute auf hohem Niveau. [...]“

 

Die von Sulfurcell entwickelten Module zeichnen sich auch bei hohen Temperaturen oder teilweiser Verschattung durch einen hohen Wirkungsgrad aus. (IBB, Pressemitteilung, 10.7.2008)

 

Damit zeichnete die IBB wissentlich ein unzutreffendes Bild der Sachverhalte. Die IBB verschwieg, dass die Entwicklung einer schwefelbasierten Herstellungstechnologie gescheitert war und Sulfurcell zu dem Zeitpunkt schon daran arbeitete, eine Alternative zu entwickeln. Die Ziele der Pilotphase waren nicht erreicht worden.

 

Insbesondere war der Wirkungsgrad der Module mit 5 bis 7,5 Prozent sehr gering. Es ist nicht gelungen, mit der untauglichen Schwefeltechnologie Modulwirkungsgrade von über 7,5 Prozent zu erreichen, wie der Firmengründer Meyer am 12.4.2011 sogar eidesstattlich versicherte. Mit derart niedrigen Werten tauchte die Firma in keiner Rangliste auf forderen Plätzen auf. Es kann keine Rede davon sein, dass die Firma jemals "weltweit führend" gewesen wäre.

April 2009: Desinformation in einer Präsentation

ProFIT - Von der Projektidee bis zur Bewilligung, 2.4.2009

Nebenstehende Präsentation der Firma Soltecture stammt aus einem Vortrag, mit dem die IBB das Programm ProFIT am 2.4.2009 vorgestellt hat.

 

Wiederum wurde der Solarmodulhersteller als angebliche Erfolgsgeschichte herausgehoben. Das Dokument ist inzwischen nicht mehr im Internet abrufbar.

September 2010: Falschinformation in einer Präsentation

ERDF-Loan and Risk Capital Funds at Investitionsbank Berlin, 22.9.2010

In einer weiteren Präsentation verwies die IBB im September 2010 erneut auf die angebliche Erfolgsgeschichte Sulfurcell. In dem Portrait der Firma spricht die IBB nach wie vor davon, dass der Solarmodulhersteller auf eine Kombination der Elemente Kupfer, Indium und Schwefel setzte.

 

Abgesehen davon verlief das Geschäftsjahr 2010 katastrophal, was der IBB zu dem Zeitpunkt bekannt gewesen sein muss.

Januar 2011: Falschinformation der Öffentlichkeit

Wie schon 2008 verbreitete die IBB im Januar 2011 eine Pressemitteilung, mit der der Anschein einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung erweckt werden sollte. Die wahren Sachverhalte, von denen die IBB sicher Kenntnis gehabt hatte, wurden zielgerichtet verschwiegen.

 

Die IBB muss gewusst haben, dass Soltecture schon seit Januar 2010 einen Kapitalbedarf von bis zu 50 Mio. Euro gehabt hatte. Mit den 18,8 Mio. Euro, die im Januar 2011 ausschließlich durch die Altgesellschafter aufgebracht worden waren, wurde nur die Insolvenz der Firma hinausgezögert.

 

Die IBB verschwieg außerdem katastrophale Geschäftszahlen, die erst später und teilweise bis heute nicht öffentlich geworden sind. Tatsächlich hatte Soltecture mit einem Umsatz von 4,4 Mio. Euro im Jahr 2010 das Mindestumsatzziel von 50 Mio. Euro nur zu 9 Prozent erfüllt. Es ist offensichtlich, dass die IBB diese und weitere alarmierende Sachverhalte der Öffentlichkeit planmäßig vorenthalten hat.

Februar 2011: Falschinformation der Berliner Abgeordneten

Am 28.2.2011 erklärte der Leiter der IBB Ulrich Kissing vor dem Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen des Abgeordnetenhauses Berlin:

 

Ich gebe offen zu, dass wir mit Stolz sagen: Auch Sulfurcell ist jemand, der den Businessplanwettbewerb gewonnen hat und von uns im Rahmen von Venture-Capital gefördert worden ist. Mittlerweile haben wir nur noch einen homöopathischen Anteil an diesem Unternehmen, weil sich andere mit großen zweistelligen Millionenbeträgen an diesem Unternehmen beteiligt haben. Aber auch dort gilt wieder: Wir pflanzen viele kleine Pflänzchen, und ab und zu ergibt das mal einen großen Baum. (Ulrich Kissing, 28.2.2011)

 

Damit wurde das Abgeordnetenhaus durch den Leiter der IBB persönlich ebenso unwahr unterrichtet wie einen Monat zuvor die Allgemeinheit mit der IBB-Pressemitteilung vom 25.1.2011. Wiederum wurden die katastrophale Geschäftsentwicklung und die zahlreichen Schwierigkeiten verschwiegen und Sulfurcell angeblich stolz und unzutreffend als Musterbeispiel eines gelungenen Engagements der IBB dargestellt.

 

Insbesondere verschwieg Kissing offenbar ebenfalls planmäßig, dass die IBB schon seit Juni 2009 von sachverständiger Seite über die Sulfurcell GmbH unterrichtet worden war. Die Zuschriften waren teilweise an Kissing persönlich gerichtet und nicht korrekt behandelt worden. Mit einem Schreiben vom 7.1.2010 war der IBB sogar eine 47seitige Expertise über die Situation und die Geschäftsaussichten der Sulfurcell GmbH zugestellt worden. Auch dies ist den Abgeordneten offenbar zielgerichtet vorenthalten worden.

Schreiben an die IBB vom 7.1.2010
IBB 100107 (geschwärzt).pdf
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Die Expertise und die Hinweise wurden von der IBB ignoriert. In einem Schrebein vom 26.1.2010 deklarierte die IBB auf Veranlassung Kissings die Mitteilung als "persönliches Anliegen" und bat darum, von weiterer Korrespondenz abzusehen:

 

Wie in der Beantwortung Ihrer vorangegangenen Schreiben erläutert, geben wir zu Unternehmen gegenüber Dritten keine Stellungnahmen ab.

 

In Ihrem persönlichen Anliegen sehen wir keine Möglichkeit Ihnen behilflich zu sein. Insofern bitten wir Sie diesbezüglich, von einer weiteren Korrespondenz abzusehen. (Schreiben der IBB vom 26.1.2010)

 

Demnächst wird detailliert dargelegt, wann und wie die IBB unterrichtet worden ist und wie die Berliner Förderbank auf die Mitteilungen reagiert hat.

Verbreitung weiterer Desinformationen über den BVK

Es ist davon auszugehen, dass die IBB weitere Falschinformationen über den Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) gestreut hat. Der BVK wurde entsprechend informiert und um Auskunft gebeten.

10.6.2013 / Letzte Änderung: 22.3.2014

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