Zur Eröffnung der Insolvenz legte der Insolvenzverwalter Hartwig Albers ein sogenanntes Gutachten vor.
Üblicherweise verbindet man mit dem Begriff Gutachten, dass bestimmte Sachverhalte untersucht und hinterfragt werden. Genau das scheint Albers in dem Papier jedoch planmäßig zu vermeiden. Offenbar interessierten ihn die Hintergründe der Insolvenz und damit die Interessen der Gläubiger überhaupt nicht. Somit werden in dem "Gutachten" hauptsächlich Zahlen genannt, unbegründete Behauptungen in die Welt gesetzt oder unglaubwürdige Aussagen der Geschäftsleitung referiert.
Albers teilt mit, dass kein testierter Jahresabschluss 2011 vorlag. Das allein ist unglaublich und eine Zumutung für die Gläubiger und die Allgemeinheit, die die Gründung der Firma und den jahrelangen unsinnigen Betrieb ermöglicht hat. Doch den Insolvenzverwalter scheint dies nicht weiter zu stören. Er teilt schlicht mit, dass die Verluste laut Buchführungssystem von 2009 bis 2011 stetig angewachsen sind und sich schließlich auf über 60 Millionen Euro aufsummiert hätten. Der Fehlbetrag im Jahr 2011 wird mit über 25,8 Millionen Euro beziffert.
Es ist nicht ersichtlich, dass Albers irgendetwas unternommen hätte, um die Zahlen zu überprüfen oder zu hinterfragen. Dazu hätte er reichlich Anlass gehabt. Immerhin hatte die Firmenleitung 2010 angeblich ein Umsatzziel von 50 Millionen Euro angestrebt und 2011 die Gewinnzone erreichen wollen.
Albers hält es auch nicht für nötig, über die weiteren Verluste, die 2012 aufgelaufen sein müssen, zu informieren. Schon daran ist ersichtlich, dass der Insolvenzverwalter mit seinem "Gutachten" gar nicht korrekt informieren will, sondern bestrebt ist, wesentliche Sachverhalte zu verschleiern.
Zu den Gründen der Insolvenz verweist Albers schlicht auf einige nicht plausible und unglaubwürdige Angaben der Geschäftsleitung:
Nach Angaben der Geschäftsführung, Dr. Nikolaus Meyer und Dr. Rüdiger Stroh, beruht die Insolvenz auf zahlreichen Krisenursachen. Zum einen fehle der Gesellschaft die kritische Größe um durch sog. Skaleneffekte wettbewerbsfähige Herstellungskosten zu erreichen. Außerdem verfüge die Schuldnerin über besondere Produkteigenschaften in Differenzierung zum Wettbewerb, die jedoch nicht ausreichen, um Kostennachteile auszugleichen. Schließlich habe sich die Marktentwicklung nicht positiv auf die Entscheidung der Gesellschafter ausgewirkt. Denn der Markt sei gekennzeichnet von Überkapazitäten sowie hohen Lagerbeständen und rapidem Preisverfall. Die Gesellschafter haben daher die weiteren Investitionen zur Erreichung einer wettbewerbsfähigen Größe nicht mehr tragen wollen. Daher haben die Gesellschafter den Insolvenzantrag gestellt. (Hartwig Albers, Gutachten, 31.7.2012, Blatt 7)
Auch diese Angaben hinterfragt Albers wiederum nicht, wohl wissend, dass die Darstellung nicht zutreffend war. Tatsächlich war das Scheitern schon lange absehbar, weil Soltecture über keinen tauglichen Herstellungsprozess für Solarmodule verfügte. Die hergestellten Module waren leistungsschwach, mangelhaft und verfügten über keinerlei Alleinstellungsmerkmale.
Auf Blatt 9 teilt Albers mit, dass 13 der 173 Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung im Bereich Vertrieb und Marketing tätig waren. Auch diese Information hätte Albers stutzig machen und zu Nachfragen veranlassen müssen.
Bis 2010 beschäftigte Soltecture im Vertrieb mit Silke-Kirsten Bosse nämlich nur eine Mitarbeiterin als Marketingleiterin. Die hergestellten Module wurden ausschließlich an bestimmte Großhändler geliefert, mit denen Abnahmeverträge vereinbart waren. Das bestätigte der Geschäftsführer Meyer in einer eidesstattlichen Versicherung vom 1.2.2011:
Die Sulfurcell Solartechnik GmbH hat bereits im Jahr 2008 bindende Rahmenkaufverträge mit renommierten deutschen Fachhändlern geschlossen, die eine bindende Abnahme von insgesamt 100 % der bis zum Jahr 2012 in der neuen, 2009 fertiggestellten Produktionsanlage hergestellten Solarmodule enthalten. (Nikolaus Meyer, Eidesstattliche Versicherung, 1.2.2011)
Tatsächlich hatten sich die Vertriebspartner, allen voran Krannich Solar, IBC Solar, Energiebau Solarsysteme und Axitec, jedoch schon bis 2010 geweigert, weitere mangelhafte Module abzunehmen. Deshalb war Soltecture anders als geplant ab 2010 gezwungen, eine eigene Vertriebsabteilung aufzubauen und mit Henrik Krüpper einen weiteren Geschäftsführer für den Bereich Vertrieb und Marketing einzustellen. Auch diese Sachverhalte waren dem Insolvenzverwalter zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens bekannt.
Schließlich berichtet Albers auf Seite 18, dass noch ein Bestand an veräußerbaren Modulen vorhanden war, den die Firmenleitung mit 445.000 Euro bewertete. Entsprechend ist davon auszugehen, dass es sich um eine größere Stückzahl von über 10.000 Modulen handelte. Damit ist nochmals bestätigt, dass ab spätestens 2010 entgegen der eidesstattlichen Versicherung Meyers keine festen Abnahmeverträge mit Großhändlerns über die gesamte Produktionsmenge bestanden.
Auf Blatt 13 berichtete der Insolvenzverwalter Albers:
Trotz der umfangreichen und sehr aufwendigen Abstimmungen mit zahlreichen Interessenten unter maßgeblicher Beteiligung der Geschäftsführung der Schuldnerin liegt bis heute kein annehmbares Angebot für die Übernahme des Geschäftsbetriebs vor. (Hartwig Albers, Gutachten, 31.7.2012, Blatt 13)
So schlicht werden also die Gläubiger abgespeist. Albers glaubt offensichtlich, jeden Unsinn ohne weitere Belege behaupten und den Gläubigern sowie der Allgemeinheit vorsetzen zu können. Die Angaben sind selbstredend unglaubwürdig. Es ist nicht davon auszugehen, dass es auch nur einen ernsthaften Interessenten für die Fortführung des Geschäftsbetriebs gegeben hat.
Aber Albers ist tatsächlich dreist genug, diesen unglaubwürdigen Behauptungen über angebliche Verhandlungen mit Interessenten eine weitere Lüge direkt im nächsten Absatz nachfolgen zu lassen. Dort behauptet der Insolvenzverwalter allen ernstes:
Die Preise für die Module sind seit der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erneut um rund 50 % gesunken. (Hartwig Albers, Gutachten, 31.7.2012, Blatt 13)
Vor diesem Hintergrund sei Hartwig Albers letztlich keine andere Wahl geblieben, als der Stillegungsentscheidung der Geschäftsführung zum 31.7.2012 zuzustimmen.
Selbstverständlich sind die Preise für Solarmodule im Zeitraum Mai bis Juli 2012 jedoch nicht um "rund 50 %" gesunken. Die tatsächliche Preisentwicklung kann leicht recherchiert werden und war Albers sicher bekannt. Hier sei beispielhaft auf einen Vortrag des HZB-Wissenschaftlers Schock verwiesen, der auf Seite 4 die Modulpreisentwicklung von 2001 bis 2012 referierte. Offenbar hielt Schock als angehöriger des Gründungsgesellschafters HZB und wichtigstem Forschungspartner Soltectures die Quelle für seriös und glaubwürdig. Demnach sanken die Preise im Zeitraum Q1 / 2012 bis Q2 / 2012 von 1,09 auf 1,04 US-Dollar je Watt. Die Preise sanken 2012 also nur leicht, der Preisrückgang im fraglichen Zeitraum betrug lediglich 4,6 Prozent und nicht 50 Prozent wie von Albers behauptet.
Jedenfalls ist spätestens an dieser Stelle insgesamt festzuhalten, dass Hartwig Albers ein dreister Lügner ist, der seine Pflichten als Insolvenzverwalter und Anwalt nicht im geringsten ernst nimmt und stattdessen offenbar alles daran setzt, die betrügerischen Machenschaften der Leitung Soltectures zu decken.
Interessant sind weiter die Bemerkungen des Insolvenzverwalters über die immateriellen Vermögenswerte. Zunächst erklärt Albers:
Die Schuldnerin verfügt aufgrund ihrer Erfahrung in der Herstellungstechnologie über ein gewisses Prozess Know-How. Da die Produktion der Module jedoch unterhalb des Break-Even liegt, setze ich für das Know-How keinen Wert an. (Hartwig Albers, Gutachten, 31.7.2012, Blatt 14)
Damit stellt Albers tatsächlich fest, dass die nach eigenen Angaben bis zur Insolvenz weltweit führende Technologiefirma Soltecture über keinerlei werthaltiges prozesstechnisches Know-How oder etwa werthaltige Patente verfügt. Dagegen hatte die Financial Times Deutschland am 7.1.2010 berichtet:
"Wir haben in dieser Technologie weltweit noch einen Vorsprung von etwa drei Jahren", sagt Nikolaus Meyer, Geschäftsführer von Sulfurcell aus Berlin. Sulfurcell hat sich auf die Produktion von Dünnschichtmodulen spezialisiert. (Financial Times Deutschland, Solarstrom-Metropole, 7.1.2010)
Wie die Insolvenz zeigt, hat Soltecture den "Vorsprung von etwa drei Jahren" innerhalb kürzester Zeit verspielt oder nie über einen Vorsprung verfügt. Zutreffend ist letzteres, da die Module untauglich und unverkäuflich waren, wie Meyer sehr wohl wusste. Offenbar haben sich mit Meyer und Albers zwei Lügner und Vertuscher gesucht und gefunden.
Auf dem 2009 errichteten Fabrikgebäude hatte Soltecture eine 306 kW Solaranlage mit Modulen aus eigener Fertigung errichtet. Das Flachdach hatte Soltecture an die Eigentümerin der Solaranlage, die PROWIB Projektmanagement und Wirtschaftsberatungs GmbH, verpachtet. Wie aus dem Gutachten des Insolvenzverwalters hervorgeht, waren Pachtzahlungen vereinbart, sofern der Jahresertrag der Solaranlage 750 kWh/kWp übersteigen sollte:
Die jährliche Pacht richtet sich nach der Jahresvergütung für die eingespeiste elektrische Leistung pro installierter kWp-Leistung der Solaranlage. Übersteigt der Jahresertrag der Anlage 750 kWh/kWp, beträgt die Pacht 50 % der für den zusätzlichen Ertrag bezahlten Vergütung zuzüglich Mehrwertsteuer. (Hartwig Albers, Gutachten, 31.7.2013, Blatt 20)
Wie das Fachblatt Photon im November 2009 berichtete, rechnete Sulfurcell mit jährlichen Erträgen in Höhe von 1000 kWh/kWp:
Wegen der guten Sonneneinstrahlung in Berlin und der, laut Sulfurcell, im Vergleich zu kristallinen Modulen höheren Ausbeute bei indirekter Einstrahlung rechnet sie [die frühere Marketingleiterin Silke-Kirsten Bosse] trotz der flachen Montage mit einem Ertrag von rund 1.000 Kilowattstunden pro Kilowatt und Jahr. (Photon, Solare Legosteinfassade, November 2009)
Entsprechend sollte regelmäßig mit erheblichen Pachtzahlungen zu rechnen sein. Hingegen behauptet Albers in seinem "Gutachten":
Derzeit gehe ich nicht davon aus, dass zugunsten der Masse die jährliche Pacht eingezogen werden kann. (Hartwig Albers, Gutachten, 31.7.2013, Blatt 21)
Die Aussage wird wieder einmal nicht ansatzweise begründet. Somit ist nicht ersichtlich, wie Albers zu dieser Schlussfolgerung gekommen sein will.
Denkbar ist nur eine Erklärung. Wie hier dargelegt, war Albers bis Juli 2012 schon ausführlich und mehrfach über die rapiden Leistungsverluste der Soltecture Module informiert worden, von denen auch die Anlage auf dem Fabrikdach betroffen war. Entsprechend wusste Albers, dass nach etwa dreijähriger Betriebszeit davon auszugehen war, dass die Anfangsleistung von angeblich 1000 kWh / kWp um etwa 30 Prozent und damit unter die Schwelle für Pachtzahlungen bei 750 kWh / kWp gefallen sein würde.
Da Albers die Gläubiger über die tatsächlichen Hintergründe der sicher ausbleibenden Pachtzahlungen nicht aufklären wollte, behauptete er einfach die Zahlungen nicht einziehen zu können.
28.8.2013 / Letzte Änderung: 6.9.2013