Gerhard Stryi-Hipp war 15 Jahre lang für den Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) und dessen Vorgängerverbänden tätig. Der BSW versteht sich als Interessenvertreter der deutschen Solarbranche. Laut ISE hatte Stryi-Hipp in dem Rahmen "in engem Kontakt mit Politik und Ministerien die Marktentwicklung und Förderpolitik im Bereich Solarthermie und Photovoltaik aktiv mitgestaltet".
Laut einer Presseinformation vom 14.4.2009 besetzte das ISE die neu geschaffene Position des Leiters Energiepolitik mit dem lupenreinen Lobbyisten Stryi-Hipp.
Es stellt sich die Frage, warum ein angeblich unabhängiges wissenschaftliches Institut wie das ISE überhaupt einen "Leiter Energiepolitik" braucht und warum diese Stelle auch noch mit einem von außen kommenden lupenreinen Lobbyisten besetzt besetzt worden ist. Als Hintergrund benannte der Institutsleiter Eicke Weber dieses Ziel:
Als industrieorientiertes Institut haben wir uns zum Ziel gesetzt, energiepolitische Konzepte zu entwickeln, die sowohl die Belange der Forschung und der Industrie als auch der
Politik berücksichtigen. (ISE, Pressemitteilung, 14.4.2009)
Von Aufgabenteilung und Beschränkung auf die eigenen wissenschaftlichen Kompetenzen hält Weber offenbar nicht allzu viel. Er möchte sich gleich in mehrere wichtige gesellschaftliche Bereiche einmischen und die Politik entsprechend "beraten". Es stellt sich die Frage, ob dem Institutsleiter nur einige Grundkenntnisse der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fehlen, oder ob er schlicht persönlichen Größenphantasien erlegen ist.
Ein wissenschaftliches Institut hat innerhalb einer demokratischen Grundordnung selbstverständlich nicht die Aufgabe, die Energiepolitik zu "leiten". Es ist schon ärgerlich genug, dass Branchenverbände und andere Lobbyisten permanent Einfluss auf demokratische Entscheidungsprozesse zu nehmen versuchen. Warum dies 2009 auch von einem angeblich unabhängigen wissenschaftlichen Institut wie dem ISE zu einem Schwerpunkt erklärt wurde, ist völlig unverständlich. Auf jeden Fall hat das ISE spätestens mit diesem Schritt seine wissenschaftliche Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit geopfert.
Mit dem aktuellen Beitrag „Was soll aufs Dach?“ vom 8.10.2013 will manager magazin online seinen Lesern angeblich eine Entscheidungshilfe geben. Es geht um die Gegenüberstellung der Photovoltaik und der Solarthermie, also der Gewinnung von Strom oder Wärme aus Sonnenlicht.
Tatsächlich stützt sich der Bericht jedoch ausschließlich auf die Aussagen von Lobbyisten, allen voran des ISE Cheflobbyisten Stryi-Hipp. Die im nachfolgenden Text gelb unterlegten Passagen beziehen sich direkt auf Aussagen Stryi-Hipps:
Erstaunlicherweise wird Stryi-Hipp jedoch nicht als Lobbyist vorgestellt. Die Autorin Sarah Sommer bezeichnet ihn zunächst als „Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg“. Das ist jedoch nicht richtig. Der aktuelle Institutsleiter heißt Eicke Weber.
Weiter wird Stryi-Hipp als „Solarenergieforscher“, „Solarenergie Forscher“ und als „Solarforscher“ bezeichnet. Auch das ist unzutreffend. In seiner beruflichen Laufbahn war Stryi-Hipp bisher nur als Lobbyist und nicht als Forscher oder Wissenschaftler tätig.
Es ist unklar, warum manager magazin online Stryi-Hipp nicht korrekt vorgestellt hat. Es ist kaum vorstellbar, dass der Autorin keine Visitenkarte vorlag oder dass sie keinen Internetzugang hatte, um sich kurz über die Hauptperson ihres Artikels zu informieren. Möglicherweise sollten die Leser bewusst getäuscht werden. Offensichtlich dient der Bericht nur dazu, Werbung für die vom ISE propagierten Technologien der Photovoltaik und Solarthermie zu machen. Dieser Zweck wäre selbstredend verfehlt worden, hätte man Stryi-Hipp korrekt als Lobbyisten vorgestellt.
Vor diesem Hintergrund erübrigt es sich, den Artikel inhaltlich zu besprechen. Der Text bleibt auch insgesamt diffus, die Aussagen Stryi-Hipps sind vage oder beziehen sich spekulativ auf künftige Entwicklungen. Stryi-Hipp äußert sich jedenfalls sicher nicht wie ein Wissenschaftler, der sachlich und möglichst korrekt über sein Fachgebiet berichten möchte.
Gleichzeitig mit seinem Eintritt beim ISE als Cheflobbyist erhielt Gerhard Stryi-Hipp auch einen Sitz im Aufsichtsrat der Berliner Soltecture GmbH (damals noch Sulfurcell GmbH). Im April 2009 teilte Soltecture in einer Pressemitteilung mit:
Mit Gerhard Stryi-Hipp gewinnt Sulfurcell zudem einen Kenner der deutschen und internationalen Solarbranche als weiteres Mitglied des Aufsichtsrates. Als ehemaliger Geschäftführer des Bundesverbands Solarwirtschaft e.V. (BSW) prägte Herr Stryi-Hipp die Entstehung der deutschen Solarbranche maßgeblich. Im BSW verantwortete Herr Stryi- Hipp die Geschäftsbereiche Internationale Beziehungen, Technologie sowie Forschung und Entwicklung. Ab Juli ist Herr Stryi-Hipp als Leiter Energiepolitik beim Frauenhofer-Institut für Solare Energiesysteme tätig (Sulfurcell, Pressemitteilung, 23.4.2009).
Es bleibt jedoch unklar, warum der Aufsichtsrat erweitert wurde. Soltecture war ein Hersteller von CIS-Dünnschichtsolarmodulen. Stryi-Hipp war jedoch nicht als Dünnschichtsolarexperte bekannt. Außerdem war und ist das ISE nicht forschend im Bereich der CIS-Dünnschichtphotovoltaik tätig. Offensichtlich ging es nur darum, Soltecture einen Anstrich von Wissenschaftlichkeit und Seriosität zu verleihen.
Schon seit der Gründung hatte Soltecture praktisch alle Leistungs-, Mengen- und Entwicklungsziele weit verfehlt. Die Firma war unbedeutend und verfügte über keinerlei Zukunftsaussichten. Auch wenn Stryi-Hipp kein Dünnschichtsolarexperte war, so muss ihm das angesichts seines beruflichen Hintergrunds klar gewesen sein.
Dennoch beteiligte Stryi-Hipp sich daran, der Allgemeinheit und Investoren ein unzutreffendes Bild der Firma zu vermitteln. Ein Beispiel ist eine Stellungnahme in einer Imagebroschüre Soltectures, die 2009 erstmals veröffentlicht worden ist: Stryi-Hipp behauptete:
Sulfurcell ist ein junges, vielversprechendes Unternehmen mit einer sehr innovativen Technologie. (Gerhard Stryi-Hipp)
Tatsächlich verfügte Sulfurcell über keine Technologie, die sich zur industriellen geschweige denn wirtschaftlichen Herstellung von Solarmodulen eignete. Die Produktionsmengen waren gering und wurden von der Fachzeitschrift neue energie in der Ausgabe 12 / 2009 als „vergleichsweise homöopathisch“ bezeichnet. Die Module waren klein und mit Wirkungsgraden zwischen 5 und 7,5 Prozent sehr leistungsschwach. Die Dauerhaltbarkeit war produktionsbedingt mangelhaft. Das konnte eine Fachjournalistin 2011 schon nach kurzer Recherche bestätigen.
Ab Februar 2011 wurde ein sachverständiger Hinweisgeber, der auf die genannten und weitere dubiose Sachverhalte hingewiesen hatte, von der Leitung Soltectures unbegründet und rechtsmissbräuchlich angegriffen. Die Sachverhalte sind hier dargelegt.
Es ist ausgeschlossen, dass die Geschäftsführung diese Angriffe allein und ohne Abstimmung mit dem Aufsichtsrat initiiert hat. Entsprechend ist davon auszugehen, dass Stryi-Hipp informiert war und die Vorgehensweise wenn nicht initiiert, dann zumindest geduldet hat. Als Aufsichtsrat wäre es jedoch seine Pflicht gewesen, angesichts der desaströsen Lage Soltectures schon viel früher einzuschreiten und sich gegen die rechtswidrige Vorgehensweise der Geschäftsführung gegen einen Informanten zu stellen. Stryi-Hipp hat sich jedoch offensichtlich anders und damit pflichtwidrig verhalten.
18.10.2013 / Letzte Änderung: