In Jahrbüchern berichtete der Projektträger Jülich (PtJ) regelmäßig über die Schwerpunkte und die geförderten Projekte. Eine Durchsicht der Ausgaben ab 2007 im Hinblick auf die CIS-Dünnschichtphotovoltaik führt jedoch zu teilweise erstaunlichen Ergebnissen.
Mit Bezug auf die "Verbindungshalbleiter" wird berichtet:
Aktuell betrifft die Förderung im wesentlichen Projekte zur CIS / CIGS Technologie. Diese erreicht von den auf dem Markt befindlichen Dünnschicht-Technologien mit über 11 % die höchsten Wirkungsgrade. Der Herstellungsprozess ist allerdings anspruchsvoll (Seite 53).
In der Einführung und dem Abschnitt der Förderschwerpunkte wird die Langzeitstabilität als Qualitätskriterium zwar genannt, weiteres wird dazu jedoch nicht ausgeführt.
Im speziellen Teil der CIS-Dünnschichtphotovoltaik findet die Langzeitstabilität als Qualitätsmerkmal überhaupt keine Erwähnung mehr. Nur eins der 14 geförderten Projekte mit einem geringen Fördervolumen von 459.820,- Euro beschäftigt sich mit dem Thema Dauerhaltbarkeit ("Teststand für Stabilitätsuntersuchungen an Dünnschicht-Solarmodulen").
Die Firma Soltecture (damals noch Sulfurcell) wird als Koordinator des Verbundprojekts "Kontrollierte Dotierung im CuInS2-System (KD-CIS) genannt. Die Laufzeit dieses Projekts reichte vom 1.1.2007 bis 31.12.2009. Ziel war die Steigerung des Wirkungsgrad von CuInS2-Zellen. Gemeint war damit die ursprünglich von Soltecture favorisierte schwefelbasierte CIS-Technologie.
Die Nennung des Projekts zu diesem Zeitpunkt scheint merkwürdig, da Soltecture spätestens 2007 den schwefelbasierten Ansatz aufgegeben und mit der Entwicklung einer selenbasierten Alternative begonnen hatte. Die Weiterentwicklung der "Schwefeltechnologie" war sinnlos, da der Ansatz unterlegen und die Langzeitstabilität der Module mangelhaft war. Es ist davon auszugehen, dass dies dem PtJ bekannt war.
Der PtJ berichtete, dass die maximalen Wirkungsgrade marktgängiger CIS-Module innerhalb eines Jahres angeblich von 11 % auf über 12 % gestiegen wären:
Die CIS / CIGS Technologie erreicht von den auf dem Markt befindlichen Dünnschicht-Technologien mit über 12 % die höchsten Wirkungsgrade. Der Herstellungsprozess ist allerdings anspruchsvoll (Seite 49).
Kein einziges der 9 gelisteten Projekte im Bereich der CIS-Dünnschichtphotovoltaik befasste sich mit der Langzeitstabilität. Allerdings wird im Abschnitt "Systemtechnik" von einem neuen Projekt zu diesem Thema berichtet: "Langzeitstabilität und Leistungscharakterisierung von Dünnschicht-Solarmodulen".
Wiederum berichtete der PtJ von einer erheblichen angeblichen Leistungssteigerung industriell gefertigter CIS-Module:
Die Modulwirkungsgrade liegen zwischen 11 % und 13 % für Modulflächen von 0,72 bis 1,1 m² (Seite 50).
Im Januar 2012 berichtete jedoch das Fachblatt Neue Energie von durchschnittlichen Wirkungsgraden von nur 10 %:
Beispiel CIS: (...) Allerdings dümpeln industriell gefertigte CIS-Zellen noch bei durchschnittlichen Wirkungsgraden von zehn Prozent, und auch bei den Produktionskosten liegen sie offentlichtlich noch über ihren kristallinen Konkurrenten. "Die Halbleiterabscheidung erweist sich beim CIS als großes Problem", gesteht der Dünnschichtexperte Michael Powalla vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) (Neue Energie, Lastesel der Photovoltaik, 1 / 2012).
Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, wie das PtJ sogar schon zwei Jahre zuvor auf Wirkungsgrade im Bereich von 11 % bis 13 % gekommen ist. Im Übrigen hat die Leitung Soltectures 2011 eidesstattlich versichert, dass mit schwefelbasierten CIS-Modulen nur Wirkungsgrade bis maximal 7,5 % erreicht werden konnten. Die Fläche der Soltecture Module betrug 0,81 m².
Der PtJ berichtet weiter, dass bei Soltecture angeblich auch 2009 noch an der Verbesserung der Schwefeltechnologie durch die kontrollierte Dotierung der Absorberschicht (KD-CIS) gearbeitet wurde.
In dieser Ausgabe wird behauptet, dass sich der Markt für CIS- und CIGS-Module in Deutschland "rasant" entwickelt hätte. Begründet wird dies mit einem Verweis auf die jährliche Produktionsstatistik der Fachzeitschrift Photon (Ausgabe 1 / 2011). Die Zeitschrift muss jedoch mittlerweile als unseriös, die Produktionsstatistik als unbrauchbar eingestuft werden. Es ist erstaunlich, dass der PtJ die Beurteilung der Entwicklung eines Marktsegments auf nur eine und noch dazu unseriöse Quelle gestützt hat.
Noch gravierender scheint jedoch das Unverständnis für produktionstechnische Gegebenheiten, das der PtJ mit dieser Aussage offenbart:
Die Vorteile gegenüber Siliziumwafern sind dieselben wie die der siliziumbasierten Dünnschichtmodule: großflächige Beschichtung, integrierte Serienverschaltung, hohe Materialeinsparung, größere Flexibilität bei der Verwirklichung innovativer Zellkonzepte und kürzere Energierücklaufzeiten (S. 113).
Offenbar hat man beim PtJ die wesentlichen Nachteile der monolithischen Bauweise nicht verstanden. Aus prozesstechnischer und ökonomischer Sicht ist die "großflächige Beschichtung" ein erheblicher Nachteil, der sich in hohen Ausschussquoten und breiter Streuung der Wirkungsgrade bemerkbar macht. Mit zunehmend größerer Fläche nehmen die Wirkungsgrade ab. Dieses mangelhafte Verständnis grundlegender Zusammenhänge kann nur als erschreckend bezeichnet werden.
Angeblich ist das Projekt KD-CIS nunmehr bis 30.4.2010 fortgeführt worden. Erstaunlicherweise wird außerdem ein neues Projekt "HT-CIGS" genannt, mit dem die Optimierung der CIS-Schwefeltechnologie durch die Firma Soltecture vom 1.1.2010 bis 30.9.2012 weiter vorangetreiben werden soll.
In dieser Ausgabe werden die angeblichen Vorteile der Dünnschichtphotovoltaik wiederholt. Außerdem wird von der angeblichen weiteren Steigerung der Wirkungsgrade gesprochen. Vollkommen unseriös sind schließlich Aussagen über Rekordwerte, die im Labor auf kleinen Flächen erzielt wurden. Offenbar soll der Eindruck erweckt werden, dass sich die CIS-Dünnschichtphotovoltaik planmäßig und positiv entwickelt.
Angeblich wäre das Entwicklungspotential "weiterhin groß". Damit offenbart sich erneut ein Missverständnis. Es ist die Aufgabe der Forschung, Potentiale zu erkunden. Die Industrie beschäftigt sich dagegen mit der Umsetzung des Machbaren, und darum geht es hier. Die Frage ist nicht, was möglich wäre, sondern was derzeit ökonomisch umgesetzt werden kann. Offenbar unterscheidet das PtJ diese beiden Fragestellungen nicht.
Wiederum wird auch auf die Produktionsstatistik der Zeitschrift Photon verwiesen, um ein angeblich überproportionales Wachstum der Dünnschichtphotovoltaik zu belegen.
Die Ausführungen zur Marktentwicklung und zu den Aussichten sind insgesamt nicht nachvollziehbar. Einerseits werden die Nachteile der CIS-Dünnschichtphotovoltaik nicht angemessen bewertet. Andererseits scheint der PtJ über kein angemessenes Bild der tatsächlichen Entwicklung zu verfügen. Die Bank Sarasin kam 2012 hingegen zu dieser Schlussfolgerung:
Im derzeitigen Umfeld mit grossen Überkapazitäten und geringen Rohmaterialkosten (tiefe Polysiliziumpreise) fokussiert die gesamte Branche auf kristalline Standardmodule und zeigt sich eher skeptisch gegenüber neuen Produkten. Existierende Dünnschichtmodule haben ihre Kostenvorteile eingebüsst. Einzige Überlebende sind First Solar (CdTe) und Solar Frontier (CIGS) (Bank Sarasin, Gemeinsam zu einer sauberen und sicheren Stromversorgung, Dezember 2012).
Wiederum wurde als Koordinator und Nutznießer des Projekts "HT-CIGS" die Firma Soltecture genannt, obwohl diese schon fünf 5 Jahre zuvor die Schwefeltechnologie aufgegeben hatte und zum Zeitpunkt der Herausgabe des Jahrbuchs im Juli 2012 schon Insolvenz angemeldet hatte.
Letzte Änderung: 15.5.2013