Insbesondere ist auch die Geschäftsentwicklung nach der Errichtung der Serienfertigung 2009 aufschlussreich. Ein wahrscheinlicher Verlauf der Fertigungsleistung wurde anhand der vorliegenden Unterlagen rekonstruiert.
Zu den hier relevanten Dokumenten zählen auch mehrere vertrauliche Unterlagen, die versehentlich im Internet frei abrufbar waren. Die in diesen Unterlagen genannten Leistungszahlen waren deutlich niedriger als die öffentlich verlautbarten Zahlen. Die vertraulichen Unterlagen waren für mögliche Investoren bestimmt. In einem Dokument aus der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wurden auch konkrete Angebote für eine Übernahme der Fertigung gemacht.
Offenbar konnte man die Investoren nicht in gleichem Maße belügen wie die Allgemeinheit, der die Firma ihre Existenz zu verdanken hatte. Investoren können im Gegensatz zur Allgemeinheit weitgehend Einblick in die Firmenunterlagen nehmen. Insofern ist davon auszugehen, dass die in den vertraulichen Papieren genannten Angaben die wahren Sachverhalte zumindest annähernd wiederspiegeln.
Die nebenstehende Folie ist einer Firmenpräsentation entnommen und veranschaulicht beispielhaft, wie sich die Berichterstattung für mögliche Investoren von der Unterrichtung der Allgemeinheit unterschied.
Als Jahresleistung für 2010 wurde eine Produktionsmenge von 5 MW mitgeteilt. Öffentlich war jedoch mehrfach eine Produktionsmenge von 18 MW verlautbart worden. Als Planleistung für 2011 wurden insgesamt 10 MW genannt. Öffentlich verlautbart wurden jedoch Werte zwischen 30 und 40 MW. Tatsächlich erreicht wurden schließlich weniger als 3,5 MW.
Jedoch wurden auch in den Darstellungen für Investoren bestimmte Sachverhalte unrichtig dargestellt. So berichtete Soltecture in einem Jahresabschluss, dass die Produktion im zweiten Halbjahr 2009 zurückgefahren worden war. Die Jahresleistung war deshalb 2009 mit Sicherheit geringer als 2008. Dennoch wurde in nebenstehender Präsentation eine angebliche Steigerung von 1,8 MW auf 2,4 MW berichtet.
In der Präsentation vom Juli 2011 wurden weitere nicht stimmige und unrichtige Informationen mitgeteilt.
Interessant ist schließlich die Herkunft dieser Präsentation, die auf der Internetseite www.gtai.de abrufbar war. Germany Trade & Invest (GTAI) ist eine Art internationale Marketingagentur der Bundesregierung. Der Bundesregierung war also bekannt, dass die öffentlich berichteten Zahlen nicht mit den Angaben übereinstimmten, die möglichen Investoren mitgeteilt wurden.
Wie im Geschäftsbericht 2010 mitgeteilt, wurde die neue Serienfertigung erst verspätet und nicht so zügig wie geplant in Betrieb genommen.
Dem Geschäftsbericht ist ebenfalls zu entnehmen, dass erstmals im November 2010 eine Monatsrate von 15.000 Stück erreicht wurde, obwohl PROFITS, ein Magazin der Berliner Sparkasse, schon im Sommer 2010 eine aktuelle Jahresleistung von 400.000 Stück verlautbart hatte. Offenbar ist die Allgemeinheit auch in diesem Fall getäuscht worden.
Ein Abgleich der Zahlen, die möglichen Investoren mitgeteilt wurden, mit den Planangaben ergibt, dass die ursprünglich anvisierten Ziele weit verfehlt wurden. Die Stückzahlen waren gering und 2011 sogar rückläufig.
Soltecture hat auch Medienanfragen mit unwahren Zahlenangaben beantwortet. In dem Bericht Sonnenfinsternis über Berlin vom 27.2.2012, der mittlerweile nur noch für Abonennten abrufbar ist und deshalb hier nebenstehend einsehbar ist, teilt die Berliner Morgenpost mit, dass Soltecture im Geschäftsjahr 2011 einen Verlust in Höhe von "rund elf Millionen Euro" verbuchen musste. Offenbar ist die Zahl der Redaktion auf Anfrage genannt worden.
Inzwischen ist bestätigt, dass die Zahl nicht der Wahrheit entsprach. Der Jahresabschluss Soltectures 2011 wurde zwar immer noch nicht veröffentlicht, das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) hat inzwischen jedoch den tatsächlichen Jahresfehlbetrag in Höhe von 24,6 Millionen Euro bekannt gegeben. Gleichzeitig wurde im Lagebericht 2011 des HZB mitgeteilt, dass die angeblich erfolgreiche Ausgründung Soltecture noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fallen gelassen worden war:
Da sich die Gesamtsituation nach Einschätzung des HZB in absehbarer Zukunft nicht grundlegend ändern wird und der wissenschaftliche Zugewinn für das HZB angesichts der Umstellung der von Soltecture verwendeten Technologie auf Selenbasis nicht mehr wie erwartet gegeben ist, hat der Aufsichtsrat im März 2012 beschlossen, seine Beteiligung an Soltecture vollständig aufzugeben.
Die Begründung ist bemerkenswert, wurde die Umstellung auf eine "Technologie auf Selenbasis" doch spätestens 2007 beschlossen und vom HZB als exklusivem Forschungspartner und Gründungsgesellschafter intensiv unterstützt. Außerdem war Soltecture von der Helmholtz-Gemeinschaft und dem HZB vielfach als Erfolgsgeschichte bezeichnet worden.
Weiter liegt inzwischen ein "Gutachten" des Insolvenzverwalters Hartwig Albers vor, dem zu entnehmen ist, dass der Verlust im Jahr 2011 sogar bei 25,8 Millionen Euro lag. Weitere Verluste, die 2012 aufgelaufen sein müssen, bezifferte Albers jedoch nicht. Ebenso nennt der Insolvenzverwalter keinerlei Stückzahlen zu den hergestellten Solarmodulen.
Die Berliner Morgenpost wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass der am 27.2.2012 mitgeteilte Jahresfehlbetrag 2011 nicht der Wahrheit entspricht und auch andere Angaben in dem genannten Artikel zweifelhaft oder nicht korrekt sind.
15.5.2013 / Letzte Änderung: 6.9.2013