Mehrere wichtige Unterlagen über die Gründungsphase Sulfurcells (später Soltecture) sind inzwischen aus dem Internet entfernt worden. Immerhin sind noch einige Artikel verfügbar, die zusammen mit den registrierten entfernten Unterlagen die damalige Situation anschaulich dokumentieren.
Aufschlussreich scheint zunächst der nebenstehende Bericht Jetzt oder nie, den die Fachzeitschrift PHOTON im April 2002 veröffentlichte.Der Artikel war bis Ende 2013 noch auf der Homepage PHOTONs abrufbar.
Schon der Titel macht deutlich, dass das Projekt umstritten und die Erfolgsaussichten zweifelhaft waren. Der Wissenschaftler Hans-Werner Schock,
der 2004 vom Institut für Physikalische Elektronik (IPE) der Universität Stuttgart zum Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) wechselte, bewertete den von Sulfurcell favorisierten Ansatz im Vergleich mit
selenbasierten CIS-Varianten als unterlegen.
Der Mitgründer Nikolaus Meyer berichtete in mehreren Veröffentlichungen über die Gründungsphase. Das Hahn-Meitner Institut (HMI) berichtete 2004 mit dem Artikel "HMI start-up: Sulfurcell wants to manufacture large area solar modules".
Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich insgesamt, dass den Verantwortlichen bewusst war, dass Sulfurcell ein sehr anspruchsvolles und riskantes Projekt mit nur sehr geringen Erfolgsaussichten war.
Schon die erste Finanzierung für eine Pilotfertigung bereitete große Schwierigkeiten. Es ist offensichtlich, dass die Firma ihren Geschäftsbetrieb ohne die Hilfe der öffentlichen Hand nicht hätte aufnehmen können. Das bestätigten die beiden Gründer Ilka Luck und Nikolaus Meyer, sowie der frühere Geschäftsführer Ulfert Rühle mittlerweile mehrfach unter anderem mit diesen Aussagen:
Aber die Herausforderungen des freien Unternehmertums bekamen die beiden Existenzgründer schnell zu spüren. Obwohl ihre neue Technologie mit einer Exklusivlizenz des HMI ausgestattet ist, obwohl sich das Marktpotenzial für das Sulfurcell-Produkt nach einer Studie des Bankhauses Sarasin bis 2010 verfünffachen wird - Kredinstitute und Fondsgesellschaften hielten ihre Scheckbücher dennoch geschlossen. Mehr als anderthalb Jahre benötigten die beiden Jungunternehmer, um das Startkapital für eine Pilotanlage zusammenzutragen. Und mehrfach standen sie vor der Frage, das Projekt zu verschieben oder sogar ganz aufzugeben. (Die Welt, Berlin wird Solar-Hauptstadt, 6.7.2003)
"Ich gehe davon aus, ohne Förderung gäbe es das Unternehmen nicht." (Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, Best-Practice-Projekte: Ulfert Rühle, November
2005)
Hatten Sie Probleme, an das benötigte Startkapital zu kommen?
"Ja. Für ein Unternehmen, das sich planmäßig in den ersten drei Jahren ausschließlich um Forschung und Entwicklung kümmern sollte, 16 Millionen Euro zu akquirieren, war
aufwändig." (Berliner Morgenpost, Solarzellen liefern Strom ohne Silizium, 16.4.2006)
Eine Erfolgsgeschichte, die ohne staatliche Unterstützung so nicht möglich gewesen wäre. (Der Tagesspiegel, Lasst die Sonne rein,
15.4.2007)
Fast drei Jahre suchte er [der Mitgründer Nikolaus Meyer] nach Investoren, die seine Idee finanzieren wollten. Schließlich hatte er Erfolg, Schritt für Schritt zog er
Sulfurcell hoch. Meyer sagt, die besondere Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland habe sehr geholfen, ebenso das Startgeld vom Land Berlin und der EU. (Berliner Morgenpost,
Berlins junger Sonnenkönig, 10.7.2008)
Bei Ihrem Vorhaben handelte es sich nicht gerade um ein Kleinunternehmen. Woher haben Sie das notwendige Startkapital bekommen?
Die Finanzierung stellte tatsächlich das größte Problem dar. [...] (EXIST, Nikolaus Meyer, August 2008)
"Uns hat ganz stark das Land Berlin unterstützt. [...] Das war ganz wesentlich, sonst wären wir nicht auf die Beine gekommen." (deGut, Nikolaus Meyer,
2009)
Mr Meyer drew up a business plan in 2000 but struggled to obtain the seed capital to buy machinery for a pilot plant. [...] After approaching about 100 companies, Sulfurcell
eventually secured €16m in funding in 2002 from six investors, including Vattenfall, the Swedish utility, and the city of Berlin, which provided a €7m grant. (Financial Times, A
scientist's place in the sun, April 2009)
Drei Jahre brauchte es, bis die nötigen 16 Millionen Euro zusammenkamen. [...] Kein Geldgeber wollte zuerst ins Risiko gehen. [...] Insgesamt sprach das Gründerteam mit rund hundert
Investoren. [...] "Ohne die Zuschüsse hätten wir das nicht geschafft", sagt Luck. (heise online, Das Reich der Mittel, 21.9.2010)
Als wir nach der Jahrtausendwende, mitten in der Krise des Neuen Marktes, nach Beteiligungskapital suchten, war unsere Photovoltaik-Technik noch so neu, dass wir Mühe hatten,
Investoren die ganze Geschichte in wenigen knappen Sätzen zu erzählen. Das war mit ein Grund dafür, dass am Ende fast alle unsere Investoren aus Berlin kamen: Geographische
Nähe erzeugt eben auch Vertrauen. Berlin ist heute mit Unternehmen wie Sulfurcell und Solon einer der führenden Standorte für Photovoltaik in Deutschland – unter anderem deshalb habe
ich mich auch mit meiner Firma hier angesiedelt. (Berlin, Ilka Luck, 2010)
1.8.2013 / Letzte Änderung: 22.2.2014