Die Berliner Sparkasse gehört zum "historischen Kern" der Landesbank Berlin (LBB). Im hauseigenen Magazin PROFITS, Ausgabe September / Oktober 2010, stellte die Berliner Sparkasse Soltecutre eine Plattform zur Selbstdarstellung zur Verfügung.
Die angeblich "modernen Solarmodule aus Adlershof" Soltectures waren das Titelthema der Ausgabe, die auf der Internetseite der Berliner Sparkasse nach wie vor abrufbar ist. In dem Artikel "Im Zeichen der Sonne" wurde der Dünnschichtmodulhersteller optisch und auch verbal bestens in Szene gesetzt.
Der Artikel, in dem mehrfach unrichtig berichtet wird, beruht offenbar auch wesentlich auf Aussagen des Mitgründers und Geschäftsführers Nikolaus Meyer.
Die Berliner Sparkasse berichtete, dass Soltecture angeblich zu den "drei bedeutendsten Herstellern weltweit" gehörte. Entsprechende Aussagen wurden von der Leitung Soltectures auch vielfach an anderer Stelle behauptet:
Bei der CIS-Variante zählt Sulfurcell heute zu den drei bedeutendsten Herstellern weltweit, [...]
Die Aussage ist jedoch nicht zutreffend. Soltecture war als Solarmodulhersteller unbedeutend und wurde in den meisten Ranglisten nicht geführt. In einer Aufstellung des Fachmagazins Neue Energie vom Januar 2010 belegte Soltecture mit einer Produktionsleistung von etwa 2 MW im Jahr 2009 einen der letzten Plätze. Die Tabelle gehört zu dem Bericht Die Kupferkönner über die CIS-Dünnschichtphotovoltaik, der bis Anfang 2013 im Internet frei abrufbar war, inzwischen jedoch von der Homepage des Magazins Neue Energie entfernt worden ist.
In den jährlichen Solarstudien der Bank Sarasin wurde die Firma ab 2008 nicht mehr erwähnt.
In einer Studie von Lux Research belegte Soltecture im CIS-Segment hintere Plätze sowohl hinsichtlich der Marktstellung wie auch hinsichtlich der Aussichten. In beiden Fällen warnte Lux Research vor einem Investment mit der Bewertung "Caution".
In dem Bericht behauptete der Firmengründer Nikolaus Meyer, dass das Potential der eingesetzten Technologie im Vergleich mit Silizium-Modulen "noch lange nicht ausgereizt" gewesen wäre.
Auch das war nicht korrekt. Die von Soltecture favorisierte Technologie war aus prozesstechnisch-ökonomischer Sicht unterlegen, was mit einer vergleichenden Typologie der Herstellungsverfahren leicht veranschaulicht werden kann. Die monolithische Bauweise begrenzte die Entwicklungsmöglichkeiten statt sie zu erweitern.
Schon im April 2009 hatte sich Lux Research über das Segment in einer Studie klar geäußert:
In short term, CIGS technologies are not competitive on price or bankability.
2010 hatte Lux Research erneut gewarnt, dass alternative Technologien im Vergleich mit den marktbeherrschenden waferbasierten Technologien immer weiter ins Hintertreffen gerierten. Die Aussichten der Firma Soltecture (damals Sulfurcell) wurden von Lux Research als besonders schlecht eingestuft.
Die Berliner Sparkasse behauptete, dass Soltecture im Sommer 2010 eine jährliche Produktionsrate von 400.000 Modulen erreicht hätte:
Jährlich stellen die derzeit 250 Mitarbeiter am Groß-Berliner Damm jetzt rund 400.000 Module her - [...]
Laut Geschäftsbericht Soltectures wurde jedoch erst im November 2010 erstmals eine monatliche Leistung von 15.000 Stück (entsprechend 180.000 Stück pro Jahr) erreicht. Zudem scheint auch diese Zahl unglaubwürdig hoch angesetzt zu sein.
Der Bericht suggeriert, dass die Module Soltectures weltweit gefragt waren. Angeblich hatte die Firma im Juli 2010 Rahmenverträge für Lieferungen im Volumen von 16 MW nach Indien und China abgeschlossen.
Tatsächlich handelte es sich bei diesen "Rahmenverträgen" wohl um Scheinverträge. 2010 und 2011 fertigte die Firma insgesamt nur ein Volumen von maximal 8 MW. Allein 0,41 MW wurden für das Projekt "Am Oktogon" geliefert. Außerdem war angeblich vertraglich vereinbart, dass die gesamte Produktionsmenge bis Ende 2012 von deutschen Vertragspartnern abgenommen werden sollte. Schon deshalb ist nicht nachvollziehbar, warum die Firma angab, direkt an internationale Kunden liefern zu wollen.
Die Berliner Sparkasse behauptete, dass Soltecture im Sommer 2010 250 Mitarbeiter beschäftigte:
Jährlich stellen die derzeit 250 Mitarbeiter am Groß-Berliner Damm jetzt rund 400.000 Module her - [...]
Die angegebene Beschäftigtenzahl ist falsch. Im Frühjahr 2009 wurden mehrfach Mitarbeiterzahlen um 180 genannt. Im Rahmen des Fabrikneubaus sollte die Belegschaft um 100 Mitarbeiter aufgestockt werden.
Wie der Insolvenzverwalter Hartwig Albers inzwischen berichtete, beschäftigte Soltecture bei Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Mai 2012 173 Mitarbeiter, davon 13 im Vertrieb und Marketing.
Seit 2009 war die Belegschaft also nicht aufgestockt worden, obwohl sogar eine Vertriebsabteilung eingerichtet werden musste, da die Vertriebspartner die Vermarktung weiterer Module bis etwa 2010 verweigert hatten.
Der Bericht der Berliner Sparkasse ist nicht nur ärgerlich, er muss auch als grobe Täuschung der Leser betrachtet werden, weil wichtige Sachverhalte verschwiegen wurden. Details zur Firma Soltecture sind in der Zusammenfassung dargelegt.
Demnach konnte keines von 47 verlautbarten Zielen wie geplant erreicht werden. Ohne die Hilfe der öffentlichen Hand wäre Soltecture gar nicht gegründet worden. Im Sommer 2010 war Soltecture in größten Schwierigkeiten. Seit Januar hatte die Firma einen Kapitalbedarf von bis zu 50 Millionen Euro, der nicht gedeckt werden konnte. Kurz darauf, im Februar, hatte die Firmenleitung die Mitarbeiter zu einer Demonstration aufgerufen, mit der vor drohenden Pleiten im Solarbereich gewarnt worden war.
Die Module hatten sich als untauglich erwiesen, da sie im laufenden Betrieb sehr schnell ihre Leistung verloren. Deshalb hatten die deutschen Vertragspartner bis 2010 trotz vertraglicher Verpflichtung die Abnahme weiterer Module verweigert.
Die 2009 errichtete angeblich hoch automatisierte Fabrik konnte erst verspätet und höchstens ansatzweise in Betrieb genommen werden. Entsprechend katastrophal war der tatsächliche Geschäftsverlauf 2010 und 2011. Statt wie geplant mindesten 50 Mio. Euro, konnte 2010 nur ein Umsatz von 4,411 Mio. Euro verbucht werden. Der ohnehin minimale Ausstoß, den ein Fachmagazin als "homöopathisch" bezeichnet hatte, war 2011 sogar rückläufig.
Mehrere Verantwortliche und Subventionsgeber waren schon 2009 darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Firma nicht konkurrenzfähig war und keine Chancen hatte, jemals die Gewinnzone zu erreichen.
"Im Zeichen der Sonne" zeichnete ein Zerrbild der tatsächlichen Lage und Entwicklung Soltectures, das mit der Realität nichts zu tun hatte. Jeder Leser konnte aufgrund des Artikels irrigerweise nur zu dem Schluss kommen, dass Soltecture eine erfolgreiche Firma mit guten Zukunftsaussichten war.
Ohnehin ist unverständlich, warum die Berliner Sparkasse einen Geschäftspartner derart exponiert präsentierte. Das ist sicher nicht üblich und möglicherweise ein Verstoß gegen Richtlinien. Die Berliner Sparkasse war hier praktisch in der Rolle einer Marketingagentur tätig.
Entscheidend ist sicherlich, dass es die Berliner Sparkasse besser wissen musste. Sicher ist davon auszugehen, dass die Berliner Sparkasse die tatsächliche Situation Soltectures kannte und bewusst ein positives Zerrbild gezeichnet hat. Sicher kannte die Berliner Sparkasse auch die zu der Zeit aktuelle Studie von Lux Research.
Es ist vollkommen ausgeschlossen, dass die Berliner Sparkasse die in dem Artikel verbreiteten Botschaften selbst geglaubt hat. Deshalb ist von einer bewussten Täuschung der Leser und der Allgemeinheit auszugehen.
Es wird aufzuklären sein, wie es zu diesem Bericht gekommen ist. Möglicherweise ist dies ein Fall für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Entsprechend ist geplant die BaFin zu informieren.
18.5.2013 / Letzte Änderung: 18.7.2013