Anfang 2014 wurde zufällig eine Methode zur Anfertigung von Plagiaten angeblich journalistischer Texte entdeckt. Mit bestimmten Manipulationstechniken sollten die Leser offenbar über Hintergründe wie die Herkunft und das Alter der "Informationen" getäuscht werden.
Nach Untersuchung von über 25000 Veröffentlichungen und Erstellung von über 1200 Textvergleichen ist inzwischen detailiert ersichtlich, wer die Methoden entwickelt hat und wie sie verbreitet wurden. Die Techniken wurden 1995 von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ, heute: GIZ) ersonnen, die ihre Tätigkeit und "Erfolge" besser in der Öffentlichkeit präsentieren wollte. Medienpartner, allen voran die Frankfurter Rundschau, haben die GTZ unterstützt.
Nachdem die Vorgehensweise von der GTZ im Hausmagazin Akzente installiert war, wurde sie ab August 1996 von Ralf Köpke beim Bundesverband Windenergie (BWE) eingeführt. Ab 1998 wurden beim BWE-Magazin Neue Energie weitere Autoren in der Vorgehensweise unterrichtet. Schon früh waren auch die taz sowie die Photon Chefredakteurin Anne Kreutzmann beteiligt.
Die Welthungerhilfe (WHH) instrumentalisiert wie der BWE seit 1996 Journalisten, um unter dem Deckmantel journalistischer Berichterstattung Werbung in eigener Sache zu machen. Das wichtigste Vehikel war die Zeitung Welternährung, die vierteljährlich herausgegeben wurde.
Etwa 2008 hat sich die Frankfurter Rundschau stillschweigend von diesen Machenschaften distanziert und seitdem nur noch sehr vereinzelt Plagiate veröffentlicht. Die Zeitung Welternährung wurde wie auch andere Publikationen Ende 2017 eingestellt. Andere Verlage, etwa die taz und ÖKO-Test, sind bis heute aktiv involviert.
Offensichtlich fungierten Publikationen wie Akzente, Neue Energie und Welternährung als Filter zur Auswahl von Autoren. Die Redaktionen haben Autoren "getestet". Wer bereit war betrügerische Arbeitsweisen anzuwenden, der erhielt weitere Aufträge und Zugang zu einem wachsenden Netzwerk, um die Texte immer breiter zu streuen.
Das älteste vorliegende Eigenplagiat wurde am 13.11.1995 von der Frankfurter Rundschau veröffentlicht (D1006). Der Text ist eine manipulierte Version einer GTZ-Veröffentlichung von Michael Netzhammer. Der Vergleich zeigt schon die meisten der später vielfach verwendeten Manipulationstechniken. (25.11.2018)
Nachfolgend eine typische Falldokumentation sowie eine Gesamtübersicht mit Beispielen der bisher recherchierten Fälle, die der GIZ, dem BWE und der WHH als Auftraggebern zugeordnet werden. Schon die Übersicht zeigt, dass wenige Leitautoren vielfach beauftragt worden sind, namentlich Michael Franken, Bernward Janzing, Dierk Jensen, Philipp Hedemann, Ralf Köpke, Michael Netzhammer, Sascha Rentzing, Klaus Sieg und Thomas Veser.
Beispielhaft eine typische Berichterstattung für die GIZ aus dem Senegal von Thomas Veser. Zunächst erschienen 2002/2003 unterschiedliche Versionen in der Frankfurter Rundschau und Akzente. 7 Jahre später erschien eine weitere Variante in der Zeitung Welternährung. Der Text war vielfach manipuliert, jedoch offensichtlich nicht inhaltlich überarbeitet worden. Auch ein Foto aus dem Akzente-Beitrag wurde in Welternährung erneut veröffentlicht (D1124).
Zur Übersicht enthält die nachfolgende Tabelle jährlich jeweils eine beispielhafte Falldokumentation zur GIZ/GTZ, der WHH und des BWE. Weitere Falldokumentationen sind auf den jeweiligen Seiten abrufbar.
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) |
Bundesverband Windenergie (BWE) |
Deutsche Welthungerhilfe (WHH) |
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1995 | ||||
Michael Netzhammer |
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1996 |
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Thomas Veser |
Ralf Köpke FR TS NeuE / FR-NeuE |
Dierk Jensen EWelt WeltE / EWelt-WeltE |
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1997 | ||||
Peter Korneffel |
Ralf Köpke Solares Markenzeichen aus Aachen NeuE taz FR StZ / NeuE-taz |
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1998 |
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Paul Grote |
Bernward Janzing taz UmBr NeuE Stern / taz-NeuE NeuE-Stern |
Kerstin Kilanowski Mühsamer Kampf gegen die Erosion in Senegal WeltE TS FR / WeltE-FR TS-FR |
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1999 | ||||
Dierk Jensen |
Michael Franken Windstrom für den Rest der Welt NeuE taz taz VDI HB / NeuE-HB |
Monika Hoegen Wo Bäume in den Himmel wachsen WeltE FR / WeltE-FR |
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2000 |
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Dierk Jensen |
Dierk Jensen |
Thomas Veser Stürme, die Bäume wie Streichhölzer knicken WeltE FR FAZ WZ / WeltE-FR WeltE-FAZ FAZ-WZ |
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2001 |
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Toni Keppeler |
Jochen Siemer |
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2002 | ||||
Klaus Sieg |
Hans Wille Ökosprit aus der Schnapsfabrik NeuE taz / NeuE-taz |
Uwe Kerkow |
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2003 | ||||
Thomas Veser |
Heike Haarhoff
Gekauft von Eurosolar |
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2004 | ||||
Knut Henkel |
Marcus Franken |
Martina Doering |
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2005 | ||||
Franz Lerchenmüller |
Bernward Janzing |
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2006 | ||||
Klaus Sieg Akz NeuE FTD NewE WesK E&LR EPf A&RD NatCH / Akz-NeuE Akz-FTD FTD-NatCH |
Sascha Rentzing |
Thomas Veser |
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2007 | ||||
Michael Netzhammer |
Klaus Sieg |
Sabine Tesche WeltE HA / WeltE-HA |
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2008 | ||||
Thomas Veser |
Sascha Rentzing NeuE-BauZ NeuE-TopAgr NeuE-EECH |
Gaby Herzog FAZ BZ WeltE / FAZ-WeltE |
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2009 | ||||
Klaus Sieg |
Dierk Jensen |
Sascha Langenbach Kleinkredite für den Neuanfang BerK WeltE / BerK-WeltE |
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2010 | ||||
Dierk Jensen Electrifying Senegal - renewably! EPf WeltE NeuE PNew FuF ÄZ R21 BauZ BauSt ND / EPf-R21 FuF-BauSt |
Sascha Rentzing NeuE-HB NeuE-FTD NeuE-BauZ NeuE-Joule |
Gabriela Greess Kraft schöpfen aus dem Blauen Nil WeltE ND / WeltE-ND |
||
2011 | ||||
Philipp Hedemann |
Sascha Rentzing NeuE-EP NeuE-Joule NeuE-ÖkoT EP-fnp |
Constanze Bandowski WeltE EWelt ZeitZ | ||
2012 | ||||
Dierk Jensen First-class energy from second-hand turbines VDI NeuE NewE BZ EWelt EPf ND R21 / NeuE-BZ ND-R21 |
Dierk Jensen |
Andrea Kümpfbeck "Wir sind eine echte Hoffnung" AugA-WeltE AugA-ZeitZ |
||
2013 | ||||
Klaus Sieg |
Sascha Rentzing NeuE-WWG NeuE-EECH WWG-een |
Philipp Hedemann | ||
2014 | ||||
Julia Gerlach FR BZ NZZ Akz / BZ-Akz NZZ-Akz |
Bernward Janzing |
Hans-Christoph Neidlein WeltE WeSi SWE PubF SWW RundBr / WeltE-PubF |
||
2015 | ||||
Timot Szent-Ivanyi |
Bernward Janzing |
Thomas Veser Steiniger Weg zur Selbstversorgung WeltE FAZ ZiF M&M / WeltE-FAZ |
||
2016 | ||||
Dierk Jensen R21 FuF Furrow umeme EaPF SecV NatCH BauZ WeltE taz / R21-Furrow |
Sascha Rentzing
Allrounder im
Wartestand |
Philipp Hedemann |
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2017 |
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Philipp Hedemann Akz Rpfz SächsZ DE HannA ND SchwäZ / Akz-Rpfz |
Annika Joeres |
Philipp Hedemann Angst vor der nächsten Katastrophe FrPr LuxW WeltE SüdK / LuxW-WeltE |
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2018 | ||||
Christian Selbherr |
Frank Thomas Wenzel |
André Bochow SWP WHH / SWP-WHH |
Nachfolgend ist es als pdf-Datei mit Links zur bisher erstellten Dokumentation abrufbar.
Eine seit 1996 verwendete Methode könnte man als "erneuerbare Textproduktion" bezeichnen. Dabei werden regelmäßig eigene und gelegentlich auch fremde Artikel abgeschrieben, vielfach manipuliert und erneut an anderer Stelle veröffentlicht.
Durch die Textmanipulationen sollten die Leser offenbar getäuscht und die Recherche der Originaltexte erschwert werden. Dabei wurden auch regelmäßig und vielfach wörtliche Zitate manipuliert. Es ist kaum vorstellbar, dass die Gesprächs- und Interviewpartner über die Mehrfachveröffentlichungen informiert wurden oder die Manipulationen gar autorisiert autorisiert haben.
Inzwischen liegen sogar fünf vollständig manipulierte Interviews vor. Es kann wohl sicher ausgeschlossen werden, dass die Interviewpartner von diesen Plagiaten wussten oder diese sogar autorisiert haben.
Im März 2014 ist zunächst ein Text von Sascha Rentzing über das "X-GW"-Fabrikkonzept des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) aufgefallen. Der Bericht "Gigafabrik gegen den Ruin" ist nach wie vor auf der Seite der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie (SSES) abrufbar.
Zum "X-GW"-Konzept wurde von den Fraunhofer-Instituten IPA und ISE eine Studie erstellt, die sich jedoch schon nach kurzer Durchsicht als mangelhaft erwies. Hier sei insbesondere auf einen Fehler hingewiesen, der als "Fundamentaler ISE-Fehler" bezeichnet werden kann.
Selbst für Laien ist leicht ersichtlich, dass eine derart konzipierte europäische Großfabrik für Solarmodule nicht erfolgreich sein würde und der Artikel von interessierter Seite veranlasst
worden sein musste. Das bestätigte der Autor auf Anfrage in einer Mail am 7.3.2014:
Zitat: Hallo Herr [...], völlig richtig, was Sie sagen. Nur stehe ich auf der falschen Seite der Journaille, um solche Projekte vorzeitig ad absurdum zu schreiben. Ich habe die Studienergebnisse telefonisch mitgeteilt bekommen, da sie zum Zeitpunkt meines Artikels noch nicht offiziell vom ba-wü Umweltministerium verabschiedet war. Sorry, da kann ich Ihnen nichts schicken.
21.3.2014 / Letzte Änderung: 25.11.2018