In den Zeitungsredaktionen sollten Journalisten arbeiten, die ihre Pflichten kennen und journalistisch verantwortungsbewusst arbeiten. Doch was die Regel sein sollte, scheint immer seltener zu werden. Stattdessen sind zunehmend Fälle zu beobachten, in denen sich die Medien an ihrer Leserschaft regelrecht versündigen.
Als größte Sünder am Berliner Zeitungsmarkt wären die taz und der Tagesspiegel zu nennen. Über die regelmäßige Praxis der taz, die Leser mit manipulierten Auftragstexten zu täuschen, wurde schon hier berichtet. Für einige Autoren ist diese Art simulierter Journalismus seit den 1990er Jahren eine lukrative Methode. Sie lassen sich mehrfach mit Steuermitteln, Spendengeldern oder von kommerzieller Seite bezahlen, um dann von der taz und anderen Hehlern des geschriebenen Wortes weitere Honorare zu kassieren.
Die taz hat sich insbesondere durch den Fall Sebastian Heiser ein Schandmal gesetzt, das kaum zu unterbieten ist. Noch nie dürfte eine Zeitung auf derartige Weise ein Mitglied der eigenen Redaktion öffentlich beschuldigt, geschädigt, entrechtet und schließlich vernichtet haben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser Fall als Vorlage für Dokumentationen und Romane Verwendung finden wird. Bis dahin bleibt nur zu hoffen, dass Heiser vielleicht doch wieder gesund und lebendig auftauchen wird.
Die Handlung ist schnell erzählt: nur zwei Tage nachdem Heiser begonnen hatte, kritisch über seinen früheren Arbeitgeber zu berichten, wurde er beschuldigt Kollegen mit Hilfe eines "Keyloggers" ausspioniert zu haben. Kurz darauf verschwand Heiser von der Bildfläche. Seit dem 18.2.2015 gibt es keinerlei Lebenszeichen von ihm.
Zur Vorbereitung der strafrechtlichen Abfertigung wurde Heiser öffentlich vorverurteilt. Der Keylogger, das einzige angebliche Beweismittel, wurde von der taz "sichergestellt", aufgebrochen, manipuliert und erst neun Tage später an die Polizei übergeben. Die Staatsanwaltschaft tat geschäftig durch eine ergebnislose Wohnungsdurchsuchung. Den angeblichen Tatort, ein Redaktionsraum, durften die Ermittler jedoch nicht besichtigen. Die taz hat den Ermittlern die Inaugenscheinnahme verweigert, und die Berliner Justiz hatte dafür offenbar Verständnis.
Auch die Unauffindbarkeit Heisers war für die Justiz kein Problem, er wurde in Abwesenheit verurteilt. Heisers Szeneanwalt aus Kreuzberg hatte offenbar nichts dagegen, jedenfalls hat er wohl keinerlei Rechtsmittel geltend gemacht.
Später behauptete die taz, den Aufenthaltsort Heisers irgendwo im asiatischen Ausland zu kennen und ihn dort aufgesucht zu haben. Namentlich die Berufslügner Sebastian Erb und Markus Kaul erzählten dazu eine geradezu surreale Geschichte. Es passt ins Bild, dass die Genannten keine Lust hatten, auch nur eine Nachricht an den Ex-Kollegen weiter zu reichen.
Aktuell ist Berlin wieder einmal Schauplatz einer Räuberpistole, die sich kein Krimi-Autor, der ernst genommen werden will, ausdenken dürfte. Offenbar versucht der Tagesspiegel den Kollegen von der taz hinsichtlich der Auslotung neuer Tiefstwerte der journalistischen Praxis Konkurrenz zu machen. Anlass sind die Angaben zum Lebenslauf der Senatssprecherin Claudia Sünder. Es ist auf den ersten Blick erkennbar, dass hier jemand versucht eine weitgehend luftleere berufliche Lebensleistung als Erfolgsgeschichte zu verbrämen.
Auf ein 6-jähriges Studium an der FU Berlin ohne Abschluss, in dem Sünder wohl nicht einmal eine Zwischenprüfung abgelegt hatte, folgten diverse Tätigkeiten in der Immobilienbranche und als "Psychotherapeutische Heilpraktikerin". Außerdem wurde ab 2001 ein weiteres Studium an der Fernuni Hagen absolviert und mit dem Titel "M.A." abgeschlossen. Der interessierte Leser erfährt an dieser Stelle jedoch nicht, dass dies erst 2014, mithin also nach einer Studienzeit von 13 Jahren, geschah. Kurz durchgerechnet bedeutet dies, dass Sünder damit im Alter von 45 Jahren nach einer Studienzeit von insgesamt 38 Semestern ihren ersten Hochschulabschluss fabriziert hat.
Mit solchen Angaben bräuchte sich niemand in der freien Wirtschaft um eine Anstellung bemühen, geschweige denn auf eine leitende Position zu bewerben. In jeder Personalabteilung würde eine solche Bewerbung aussortiert. Für solche Fälle sind inzwischen die Jobcenter zuständig, die von den Parteigenossen Sünders erfunden wurden, um nicht nur "Kunden" mit einem Lebenslauf der Qualität Sünders bei Zeitarbeitsfirmen unterzubringen oder mit "Maßnahmen" und "Sanktionen" zu gängeln.
Aber zum Glück für Sünder gibt es für Privilegierte auch Stellen bei der Berliner Landesregierung. Dort wird ein solcher Lebenslauf für die Besetzung von Spitzenpositionen als ausreichend angesehen. Die aktuelle Position wurde Sünder sogar angetragen, ein Bewerbungsverfahren musste sie nicht durchlaufen.
Die Position der Senatssprecherin besetzt Claudia Sünder nun seit Januar 2017. Zeit genug also, dass diese Personalie hätte hinterfragt werden können. In erster Linie wäre dies Aufgabe der Medien gewesen. Egal, wo in diesem Lebenslauf ein Journalist nachgebohrt hätte, er wäre umgehend auf hohle Stellen gestoßen. Doch Nachfragen hat es nicht gegeben. Bisher hat kein Journalist diese Stellenbesetzung und die dürftigen Angaben hinterfragt.
Stattdessen hatte sich ab Mitte des Jahres mit Dr. Hans-Joachim Lehmann ein Berliner Bürger mit dem Thema befasst, und das nicht nur oberflächlich. Lehmann hat sich offensichtlich Mühe gegeben, intensiv recherchiert und dann eine 79 Seiten starke Dokumentation erstellt. Das Papier wurde auch noch nicht veröffentlicht, sondern Lehmann sendete es zunächst an berufene Stellen, wie die Senatsverwaltung und Berliner Abgeordnete. Damit erhielten die Kritisierte und die zuständigen Stellen auch Gelegenheit Stellung zu nehmen oder mit dem Autor in Kontakt zu treten.
Die Vorgehensweise kann nur vorbildlich genannt werden, so mancher Journalist könnte sich daran ein Beispiel nehmen. Doch was dann geschah ist ebenso erstaunlich wie typisch für das Berliner System, in dem Bürger, die selbstständig denken und verantwortungsbewusst handeln damit rechnen müssen, wie Landesverräter behandelt zu werden.
Entsprechend wurden die Instanzen, die eigentlich verpflichtet sind die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, gegen Lehmann in Stellung gebracht. Nach einem Gerichtsbeschluss wurden zunächst die Wohn- und Geschäftsräume Lehmanns durchsucht. Er musste sich dies gefallen lassen. Ein einfacher Bürger ist eben nicht die taz, die Ermittlungsbehörden sogar den Zutritt zu einem angeblichen Tatort verweigern kann.
Die Beamten nahmen Computer, Handys, Speichermedien und Drucker mit. Am 3.8.2018 berichtete der Stern über diesen Überfall. Bis heute ist kein plausibler Grund für diese drastische Maßnahme der Behörden ersichtlich. Mitgeteilt wurde nur, dass die Senatsverwaltung wegen angeblicher Beleidigungen Anzeige erstattet hatte.
Später wurde bekannt, dass Sünder auch zivilrechtlich gegen Lehmann vorging und eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte, mit der Lehmann die weitere Verbreitung einiger Aussagen aus seiner Dokumentation untersagt wurden. Damit konnte Sünder jedoch nicht alle Ansprüche geltend machen, die sie durchsetzen wollte. Dazu berichtete wiederum erstmalig der Stern am 15.8.2018.
Die juristischen Kriterien sollten zum Handwerkszeug eines jeden Journalisten gehören, denn schließlich geht es hier darum, was in einem Rechtsstaat gesagt werden darf und was nicht. Und die Rechtswissenschaften sind keine Geheimwissenschaft. Jeder juristische Laie kann sich leicht kundig machen und sich eine Meinung bilden.
Bekanntlich soll in einem Rechtsstaat sichergestellt sein, dass Diskussionen über Sachverhalte von öffentlicher Bedeutung nicht unterdrückt werden können. Das Grundgesetz garantiert mit Artikel 5 die weitgehende Äußerungsfreiheit, damit wichtige Diskussionen stattfinden und Beteiligte nicht willkürlich mundtot gemacht werden können. Praktisch heißt dies, dass im Streitfall die Rechte Betroffener gegen die grundgesetzlich garantierten Rechte der Allgemeinheit abzuwägen sind. Regelmäßig müssen dann die Rechte wie auch Befindlichkeiten der Betroffenen hinter den Rechten der Allgemeinheit zurück treten.
Es sind allerdings zwei rote Linien zu beachten. Wer sich kritisch äußert sollte dies nicht völlig ohne Sachbezug und in beleidigender Art und Weise tun. Sonst muss er sich den Vorwurf der Schmähkritik gefallen lassen. Solche Äußerungen fallen für Juristen in die Kategorie "unzulässige Meinungsäußerungen". Überspitzte und polemische Äußerungen sind jedoch weitgehend erlaubt. Den Vorwurf der Schmähkritik muss sich nur gefallen lassen, wer sehr derb und ohne jeglichen Bezug zum Thema über eine andere Person herzieht.
Ein Beispiel für derart ehrverletzende Äußerungen hat Jan Böhmermann mit seinem Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Erdogan gegeben. Die Ironie dieser Geschichte ist, dass Böhmermann eigentlich demonstrieren wollte, wie weitreichend Äußerungen in Deutschland geschützt sind. Tatsächlich hat er die rechtlichen Grenzen mit seiner Aktion aufgezeigt und wohl auch überschritten.
Die zweite rote Linie betrifft sogenannte Tatsachenbehauptungen, die objektiv als wahr oder falsch bewertet werden können. In solchen Fällen kann einem Kritiker eine Beweislast auferlegt werden. Gelingt ihm der Wahrheitsbeweis nicht, kann die Aussage in bestimmten Fällen untersagt werden. Allerdings sind in Fällen von öffentlicher Bedeutung in der Regel auch fahrlässig oder unwissenlich unrichtige Äußerungen zulässig. Damit soll sichergestellt werden, dass begründete Spekulationen und die Diskussion von Vermutungen möglich bleiben.
Zusammengefasst können in Fällen wie diesem nur ehrverletzende Äußerungen ohne jeglichen Sachbezug und wissentliche Falschbehauptungen, also üble Nachrede, beanstandet werden. Wer sich dafür interessiert, wie dies in höchstrichterlichen Urteilen formuliert wird, der wird im Internet fündig. Hier sei auf zwei interessante Fälle verwiesen, die vom Bundesgerichtshof entschieden wurden: VI ZR 36/07 und VI ZR 19/08.
Die rechtlichen Grundlagen sollten jedem Politiker bekannt sein. Politiker arbeiten mit Worten. Es gehört zu ihrem Alltag, sich öffentlich zu präsentieren, mitzuteilen und mit Kritik umzugehen. Besonders für Politiker in Spitzenstellungen wie Sünder, die auch schon für den Bundestag kandidiert hat, sollte eine gewisse persönliche Reife und Souveränität selbstverständlich sein.
Auch Sünder sollte bekannt sein, dass Politiker in den Medien, im Internet, vom politischen Gegner und bei persönlichen Begegnungen ständig kritisiert werden. Man denke nur an die Vorwürfe in der Vergangenheit gegen bestimmte Abgeordnete, ihre akademischen Titel unrechtmäßig erworben zu haben. In einigen Fällen hat sich die Kritik von "Plagiatsjägern" bestätigt und die Titel wurden aberkannt. In anderen Fällen haben sich die Anschuldigungen nicht bestätigt. In keinem Fall ist jedoch bekannt geworden, dass ein Hinweisgeber derartige Angriffe hinnehmen musste wie nun Hans-Joachim Lehmann.
Doch Claudia Sünder scheint zu glauben, dass sie vor jeglicher Kritik an ihren beruflichen Leistungen und Eignung geschützt sei, weil ihr mangels Masse kein Promotionstitel entzogen werden kann. Mehr noch, die einzige Beteiligte, der hier eine perfide und missbräuchliche Vorgehensweise vorzuhalten wäre, ist Sünder selbst. Sie denkt gar nicht daran, konstruktiv mit der sachlichen und fundierten Kritik umzugehen oder sich gar zu erklären. Stattdessen nutzt sie dank ihrer privilegierten Stellung alle Möglichkeiten, um einen Kritiker platt zu machen.
So benutzt sie wie geschildert die Justiz, um mit aller Macht Ansprüche durchzusetzen, die sie wohlwissend gar nicht hat. Ersichtlich ist dies vor allem daran, dass sie sich mit einem ersten Beschluss des Landgerichts nicht zufrieden gibt. Es reicht ihr nicht aus, dass Lehmann in einer Hausdurchsuchung seine persönlichsten Lebensbereiche offenbaren musste und durch einen gerichtlichen Beschluss diskreditiert wird. Nein, das ist Sünder zu wenig. Sie will einen Bürger, den sie als störend empfindet, vollständig unterwerfen, und diesen Auftrag soll derzeit das höchste Berliner Gericht im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens erfüllen. So viel zum Rechtsanspruchsdenken der Claudia Sünder.
Nicht genug damit, dass Sünder als Politikerin nicht daran denkt, der Allgemeinheit zu dienen und sich verantwortungsbewusst zu verhalten, sie bringt gleich noch die Berliner Medienmacht zu ihrem persönlichen Vorteil in Stellung. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Tagesspiegels, der bisher vier Beiträge von Robert Ide (6.8.2018, 7.8.2018), Lars von Törne (16.8.2018) und Ulrich Zawatka-Gerlach (17.8.2018) verbreitete.
Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, welche Position der Tagesspiegel damit bezogen hat. Mit Journalismus hat diese "Berichterstattung" nichts zu tun. Es geht nur darum, Sünder in ein günstiges Licht zu rücken und einen Kritiker weiter zu diskreditieren. Entsprechend wird die Dokumentation Lehmanns nicht wirklich besprochen, sondern schon im ersten Beitrag von Robert Ide abwertend als "Pamphlet" bezeichnet. Dazu verschweigt Ide den akademischen Titel Lehmanns geflissentlich.
Auch im zweiten Beitrag wird die Leistung Lehmanns von Robert Ide wie auch Sünder konsequent als "Pamphlet" tituliert. Nun erhält Sünder in einem Interview ausführlich die Gelegenheit sich zu äußern. Doch sie nutzt diese Möglichkeit, die ihr dank ihrer privilegierten Stellung zuteil wurde, nur um sich selbst darzustellen. Das gesamte Interview enthält nicht den kleinsten Ansatz einer Selbstkritik. Sünder beansprucht für sich persönlich schlicht einen kritikfreien Raum.
In den letzten Sätzen wird das Interview dann aber doch interessant. Sünder fragt tatsächlich: "Warum kann dieser Herr L. durch sein Pamphlet bewirken, dass ich mich für mein Leben verantworten muss?" Sünder scheint es wirklich ernst zu meinen. Sie will sich nicht wie eine Erwachsene verantworten, selbst dann nicht wenn jemand sorgfältig recherchiert und eine umfassende Dokumentation erstellt hat. Der Kommentar Sünders ist derart naiv, dass man sich nur wundern kann, dass der Tagesspiegel diese Zeile veröffentlicht hat. Es ist selbstverständlich, dass Politiker sich für ihre Worte und Taten verantworten müssen. Jedenfalls ist das in einem Rechtsstaat so, in dem Sünder wohl noch nicht angekommen ist.
Noch brisanter die folgende Aussage: "Die Rechtslage sagt, er darf mich diskreditieren, weil ich als Senatssprecherin eine öffentliche Person bin." Damit ist klar, dass dieses Interview noch in einem Gerichtssaal als Beweis zu besprechen sein wird, denn diese Aussage ist der beste Beleg dafür, dass Sünder die Rechtslage bewusst war und sie wusste, dass die Kritik Lehmanns nicht beanstandet werden konnte. Sünder entblößt sich mit dieser Aussage und gibt zu, dass sie missbräuchlich gegen einen rechtschaffenden Bürger vorgeht.
Am 16.8.2018 berichtet Lars von Törne für den Tagesspiegel, dass Claudia Sünder am Landgericht Berlin auch zivilrechtlich gegen Lehmann vorgegangen war und einen Beschluss vom 26.7.2018 erwirkt hatte. Sünder hatte über 30 Aussagen aus dem Bericht Lehmanns beanstandet und wollte deren Verbreitung gerichtlich untersagen lassen. Wie von Törne behauptet, sei dies dem Tagesspiegel erst aktuell bekannt geworden.
Es ist schon bemerkenswert, dass das Gericht dem Antrag in nur etwa 20 Fällen gefolgt ist, denn es kommt selten vor, dass Eilanträgen nicht vollständig statt gegeben wird. Jeder Anwalt überlegt sich gut, was er in einem Eilverfahren gerichtlich geltend machen will, denn wenn die Entscheidung später abgewehrt werden kann, ist der Antragsteller der Gegenseite schadenersatzpflichtig. Schon der nur teilweise erfolgreiche Antrag bestätigt auch, dass die Angriffe Sünders insgesamt auf rechtlich wackeligen Füßen standen.
Doch der interessierte Leser reibt sich noch aus anderem Grund verwundert die Augen: Warum war in dem Interview Ides mit Sünder vom 7.8.2018 kein Wort über diese zivilrechtlichen Angriffe zu lesen? Sünder hätte dem Tagesspiegel über ihren Antrag und auch über den Beschluss selbst, der ihr zum Zeitpunkt des Interviews sicher schon vorlag, berichten müssen. Warum also enthält das Interview kein Wort über dieses Zivilverfahren, mit dem Sünder ihren Kritiker mundtot machen wollte?
Da gibt es wohl nur zwei Möglichkeiten: entweder hat Sünder dem Tagesspiegel dieses Verfahren verschwiegen, oder Ide und Sünder haben einvernehmlich beschlossen, die Leser über dieses wichtige Verfahren nicht zu informieren, da der Beschluss für Sünder nicht so günstig wie erhofft ausgefallen war.
Nach den Vorverurteilungen von Robert Ide und Lars von Törne konnte das Urteil gegen den unbequemen Kritiker aus Sicht des Tagesspiegels nun auch schon vollstreckt werden. Als Exekutor versuchte sich ein gewisser Ulrich Zawatka-Gerlach mit diesem Kommentar.
Wieder wird die Vokabel "Pamphlet" strapaziert und sogar zum "Machwerk" gesteigert. Wie aber müsste man diesen Kommentar bezeichnen, wenn schon eine sachliche Dokumentation aus Sicht des Tagesspiegels ein "Pamphlet" sein soll? Die Möglichkeiten der deutschen Sprache enthalten schlicht keinen Begriff, der angemessen wäre. Hier kann man sich nur mit einer Umschreibung behelfen: der Erguss von Zawatka-Gerlach hätte beste Chancen auf einen vorderen Platz in jedem Wettbewerb zur Wahl des erbärmlichsten journalistischen Textes aller Zeiten.
Zunächst wird Lehmann in eine Reihe mit "modernen Henkern", "inquisitorischen Bloggern" und "Twitterkönigen" gestellt. Was auch immer damit gemeint sein soll, Komplimente sind das nicht. Konkreter wird der Autor bei der Beschreibung der Handlungen solcher Henker, Blogger und Könige. Demnach wird Lehmann nahe gelegt, Sünder mit "dreister Nachrede" angegangen zu haben. Er soll sie "durch den Dreck" gezogen haben. Seine Aussagen bewegten sich angeblich an der Grenze der Beleidigung, Verhöhnung und des Rufmords. Doch Zawatka-Gerlach hat es nicht nötig, diese Beschuldigungen auch nur mit einem einzigen konkreten Zitat aus Lehmanns Dokumentation zu belegen.
Claudia Sünder wird dagegen die Rolle eines Opfers zugewiesen, die es schwer habe sich zu wehren. Schamloser kann man die Tatsachen nicht verdrehen, denn Sünder hat dank ihrer privilegierten Stellung jegliche nur denkbare Unterstützung ihres Arbeitgebers, der Justiz, der Medien erhalten, und es darf sicher vermutet werden, dass sie anwaltlich gut beraten war. Die Tagesspiegel-Leser dürfen gespannt sein, ob Zawatka-Gerlach irgendwann einmal auch für einen schlichten Bürger derart vehement in die Bresche springen wird wie hier für eine politische Spitzenkraft.
Aber der journalistische Henker ist nicht fertig. Bei seinem Rundumschlag werden auch noch alle die beleidigt, die leistungsbereit sind und sich redlich bemüht haben, zügig beruflich Fuß zu fassen. Der Autor behauptet tatsächlich, dass Studienzeiten, Fremdsprachenkenntnisse und berufliche Positionen in einem Lebenslauf "nebensächlich" wären. Das sollte Zawatka-Gerlach einmal den Menschen ins Gesicht sagen, die sich immer redlich bemüht haben, aber trotz kurzer Ausbildungszeiten, guter beruflicher Abschlüsse und Referenzen in den Jobcentern Schlange stehen.
Wie kann ein Journalist die Allgemeinheit und seine Leser nur derart beleidigen? Die Antwort kann nur sein, er merkt es nicht. Offenbar hat Zawatka-Gerlach keine Ahnung was er da geschrieben hat und es ist ihm auch egal. Er hat nur eine Mission zu erfüllen, nämlich die Verteidigung Sünders mit allen Mitteln, seien sie auch noch so irre und unredlich.
Im letzten Absatz outet sich Zawatka-Gerlach dann selbst als Ahnungsloser. Nochmals spricht er von angeblichen Bezichtigungen, die vorerst unbeanstandet blieben, ohne jedoch irgendeine konkrete Äußerung Lehmanns zu benennen. Stattdessen gibt er zum besten, dass Gerichte Meinungen nicht auf "richtig" oder "falsch" überprüfen würden, so lange sie nicht mit dem Strafrecht kollidierten. Heiliger Strohsack.
Selten hat man solchen Unsinn schwarz auf weiß gelesen. Es ist wahrscheinlich hoffnungslos, er will es nicht begreifen. Doch dem Tagesspiegel-Autor sei gesagt: Meinungen sind Meinungen, weil sie eben nicht auf "richtig" oder "falsch" überprüft werden können. Anders formuliert: was auf "richtig" oder "falsch" überprüft werden kann, das ist für Juristen niemals eine Meinung, sondern eine Tatsachenbehauptung. Im Übrigen unterscheidet sich die Rechtslogik zur Bewertung von Äußerungen im Zivil- und Strafrecht nicht die Bohne.
Es ist nachvollziehbar, dass die Stimmung in der Tagesspiegel-Redaktion derzeit gedämpft sein dürfte. Nicht zuletzt hat Lehmann mit seiner Initiative den gesamten Berliner Medienapparat düpiert, der schon längst über die Personalie Sünder hätte berichten müssen. Der Sachverhalt, dass das Thema bisher öffentlich nicht diskutiert worden ist, wird für Lehmann auch hinsichtlich der weiteren juristischen Auseinandersetzungen sehr ins Gewicht fallen.
Doch der Tagesspiegel sollte jetzt Größe zeigen, über seinen Schatten springen und sich auf solides journalistisches Handwerk besinnen. Dazu gehört an erster Stelle, dass nach der umfassenden aber einseitigen Berichterstattung nun auch Lehmann das Wort zu erteilen ist. Selbstredend muss ihm wie schon Sünder die Möglichkeit eines ausführlichen Interviews gewährt werden.
Außerdem wäre aufzuklären, warum in dem Interview vom 7.8.2018 nicht auf das Zivilverfahren hingewiesen wurde. Die Leserschaft möchte wissen, wann der Redaktion erstmalig Informationen über dieses von Claudia Sünder angestrengte Verfahren und der Beschluss vom 26.7.2018 vorlagen.
Abgesehen davon gibt es weitere Felder, auf denen sich die Redakteure sinnvoll im Interesse der Allgemeinheit betätigen könnten. Nachfolgend drei Themen, die dringend der journalistischen Aufarbeitung bedürfen.
Die Redaktion müsste auch ein Eigeninteresse haben zu klären, warum beim Tagesspiegel seit den 1990er Jahren immer wieder Beiträge von Lobbyisten und Auftragsschreibern als angeblich journalistische Arbeiten veröffentlicht wurden. Inzwischen sind über 23.000 Texte von mehr als 800 Autoren dokumentiert und vorläufig untersucht worden. Die meisten Autoren scheinen sich an die Spielregeln zu halten, doch wenige Namen tauchen in dem Zusammenhang immer wieder auf.
Besonders auffällig ist, dass der Tagesspiegel inzwischen auch vielfach manipulierte Originaltexte veröffentlicht hat, die von kirchlichen, kommerziellen, gemeinnützigen oder staatlichen Stellen finanziert worden sind. Zu den Auftraggebern, die auffällig geworden sind, gehören die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die Welthungerhilfe (WHH) und der Bundesverband Windenergie (BWE). Bisher ist kein Fall dokumentiert, in dem der Tagesspiegel seine Leser zumindest auf den Originaltext oder den Auftraggeber hingewiesen hätte. Stattdessen erfolgte die Veröffentlichung der Plagiate teilweise deutlich später. Und es sind immer wieder typische Manipulationen feststellbar, mit denen die Hintergründe offenbar verschleiert werden sollten.
Beispielhaft sei hier auf Auftragstexte im Tagesspiegel von Paul Grote, Ralf Köpke, Franz Lerchenmüller, Klaus Sieg und Thomas Veser verwiesen.
"Photon" wurde 1996 als angeblich unabhängiges Fachmagazin gegründet. Inzwischen haben Recherchen ergeben, dass das Magazin jedoch keineswegs unabhängig ist oder jemals war. Tatsächlich war Photon ein politisches Projekt, die Umsetzung übernahm der Tagesspiegel zusammen mit der taz. Politische Drahtzieher waren Hermann Scheer für die SPD und Hans-Josef Fell für Bündnis90/Grüne.
Was im ersten Moment abenteuerlich klingt ist detailliert nachvollziehbar. Damit die "Kooperation" nicht offensichtlich war, wurde mit Annegret Kreutzmann eine fachlich unbedarfte Aktivistin und Studentin als Chefredakteurin eingesetzt. Angesichts der Hintergründe war ein Wechsel an der Redaktionsspitze undenkbar. So ist es kein Wunder, dass Kreutzmann auch 22 Jahre nach Gründung noch immer die Chefposition besetzt.
Wie eingangs erwähnt wäre noch der Fall Sebastian Heiser aufzuklären. Derartige Vorgänge in einer Berliner Redaktion sollten für jede Berliner Zeitung auch aus kollegialen Gründen von besonderem Interesse sein. Wo auch immer auf dieser Welt ein Journalist festgesetzt wird oder verschwindet, berichten seine Kollegen und er erhält Unterstützung. Das ist sehr gut und kann nur begrüßt werden. Umso mehr stellt sich die Frage, warum geschieht dies im Fall Heiser nicht?
Bisher kamen alle Angaben zur Sache aus nur einer Quelle, nämlich von der taz selbst. Anfang 2017 brach dann jegliche Berichterstattung ab. Es wäre also an der Zeit und nicht mehr als gute journalistische Praxis, dass diese Angaben nun endlich hinterfragt und überprüft würden. Besonders merkwürdig ist, dass es noch immer kein authentisches Lebenszeichen Heisers gibt und seine Internetseiten hier und hier seit dem 18.2.2015 unverändert abrufbar sind.
Für die Redakteure des Tagesspiegels dürfte es ein leichtes sein, ihre Kollegen von der taz darum zu bitten wenigstens eine Nachricht an Heiser weiter zu leiten. Journalisten haben auch besondere Rechte, etwa um weiteres über das Gerichtsverfahren zu recherchieren, über das bisher nur dürftig berichtet wurde. Und schließlich sollte es auch dem Tagesspiegel möglich sein, Heisers Aufenthaltsort zu ermitteln. Der taz ist dies nach eigenen Angaben ja auch gelungen.
29.8.2018 / Letzte Änderung: